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Volksfreunde

Datum:
10. Feb. 2024
Von:
Mathieu Valet

Kommt in anderen Landesteilen Deutschlands zufällig die Rede auf unsere Regionalzeitung, staunen – meiner Erfahrung nach – viele über den Namen der Zeitung, die Sie gerade in den Händen halten. Der Name Volksfreund, noch dazu in Frakturschrift gesetzt, weckt bei Ortsfremden offensichtlich Assoziationen an den dunkelsten Teil der Geschichte unseres Landes. Dabei spielt dieser Name gerade nicht auf Nationalismus an. Im Gegenteil: Der erste Volksfreund hieß L’ami du Peuple und erschien 1789 in Frankreich. Dieser Volksfreund stand während der französischen Revolution auf der Seite des Volkes gegen die Monarchie. Auf dieses Erbe spielt noch heute der Trierische Volksfreund an. 

Das Missverständnis ist, gerade jetzt, verständlich. Es gibt Menschen in unserem Land, die sich als „wahre Freunde“ ihres Volkes sehen. Ihr Volk wollen sie bewahren vor allem, was anders und fremd ist. Das Andere und der Fremde soll ausgestoßen und verbannt werden. Wo das Andere und Fremde beginnt? Die Regeln stellen sie selbst auf. Sie folgen nicht Sprachkenntnis-sen oder der Staatsbürgerschaft, sondern der Willkür. 

Gegen sie hat sich in den letzten Wochen eine breite Koalition gebildet. Verbände, Parteien, Jugendgruppen, Kirchen und viele mehr demonstrieren gemeinsam gegen diese angeblichen Volksfreunde. Die Anteilnahme ist groß, die Bewegung breit, ihre Ränder zugegebenermaßen nicht immer klar abgrenzbar. Aber so ist es eben mit dem Volk… Der Begriff ist weit und durch-lässig; in jedem Fall weiter als die Grenzen von Herkunft, Sprache und Kultur. Außerdem: Ein echter Freund des Volkes setzt sich gerade für die ein, die am Rande stehen. 

In der Fastenzeit wird der Fokus traditionell auf den Verzicht gelegt. Doch ebenso wichtig ist in der Fastenzeit der Überfluss. Sich selbst zieht der Christ in der Fastenzeit Grenzen, anderen soll er aber helfen die aufgezwungenen, finanziellen, persönlichen oder gesellschaftlichen Grenzen zu überwinden. Traditionell war hier die Rede von Almosen oder guten Werken. Heute ist es sicher auch der Einsatz für Gleichheit und Menschenwürde. Wer als echter Volksfreund in dieser Weise seine Überzeugungen lebt, der lebt Glaube im Alltag.

Mathieu Valet, Kaplan in der Pfarrei Im Wittlicher Tal St. Anna