Mehr als genug
Ausgerechnet ein paar Tage vor Weihnachten hing der Haussegen gehörig schief. Nicht nur Plätzchenduft, nein auch dicke Luft! Was war passiert? Wie in jedem Jahr übernahm mein Vater die Aufgabe rechtzeitig vor dem Fest aus unserem Wald einen passenden Christbaum zu schlagen, den der Rest der Familie dann zu schmücken hatte. Doch diesmal konnte sich mein Vater einfach nicht überwinden. Als Hobbyförster brachte er es offensichtlich nicht übers Herz, eine gerade, schöne, hochgewachsene, mit kräftigen Ästen und dichten Nadeln ausgestattete Nordmanntanne zu opfern. Solche Exemplare waren in seinen Augen einfach zu schade. Stattdessen brachte er eine mickrige Douglasie mit nach Hause, die zwar in jüngeren Jahren einen Wildverbiss tapfer überlebt hatte, aber dadurch alles andere als eine Schönheit war. Mit zwei Spitzen und dünnen Zweigen versehen stand sie schließlich im Christbaumständer. Als Lametta und Kugeln daran hingen, beugten sich die Äste wie bei einer Trauerweide Richtung Boden. Ganz zu schweigen von damals noch echten - Kerzen, die einfach nicht halten wollten. Ein weihnachtliches Trauerspiel! Mutter schlug die Hände über´m Kopf zusammen. Gut gemeint, ist nicht immer gut gemacht.
Ob Gott jemals auch nur für einen kurzen Moment gezögert hat, alles zu wagen, das Allerliebste, das Allerbeste, zu geben, um uns nahe zu sein, um unter uns zu sein!? Im Kind von Betlehem jedenfalls, in seinem Sohn, hält er nichts zurück, gibt er uns alles, mehr als genug. Er stellt sich uns in seinem eigenen Fleisch und Blut zur Seite. In Jesus bekennt er sich zu uns. Solches Herunterkommen tut ihm nicht leid, weil er uns leiden kann. „Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn für uns hingab, damit jeder, der an ihn glaubt nicht verloren geht, sondern das ewige Leben hat“, so zitiert später der Evangelist Johannes den erwachsenen Jesus. Mehr als genug ist uns gegeben! Trost, Beistand, Orientierung. Wenn wir in den kommenden Festtagen den einen oder anderen Christbaum in all seiner Pracht bestaunen, dann möge uns erst recht der göttliche Einsatz mit Dankbarkeit erfüllen.
Matthias Veit, Dekan im Pastoralen Raum Wittlich