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Es ist Sommer

Datum:
5. Aug. 2023
Von:
Mathieu Valet

Es ist Sommer. Endlich mal Zeit, sich um sich zu kümmern, nicht Chef oder Schule den Takt vorgeben zu lassen, sondern nach den eigenen Interessen zu handeln. Lesen Sie ein Buch, fahren Sie in den Urlaub oder legen Sie einfach mal die Beine hoch. Achtsamkeit ist das Gebot der Stunde – nicht nur in den Ferien sondern auch im Alltag: Auf die eigenen Wahrnehmungen und Bedürfnisse achten. Das geht umso besser, da ja bekanntlich Sauregurkenzeit ist und man sich nicht einmal viel mit Nachrichten und Politik auseinanderzusetzen braucht. 

Eine hoch politische Lesung hat uns in dieser Zeit hingegen die kirchliche Leseordnung am vergangenen Sonntag zugemutet – allerdings nicht auf den ersten Blick. „Verleih deinem Knecht ein hörendes Herz“, bittet der junge König seinen Gott, von dem er aus Anlass seines Amtsantritts einen Wunsch frei hat. Mit Salomo können wir also achtsam sein und unsere Interessen und Bedürfnisse mit einem hörenden Herzen geistesgegenwärtig wahrnehmen ohne – das versteht sich von selbst – gleich zu bewerten. Schön, dass die Bibel auch hierfür einen passenden Anknüpfungspunkt gibt. 

Überraschend dann die politische Komponente: Ganz so bewertungsfrei stellt sich der König seine Achtsamkeit nicht vor. Er verbindet seine Bitte, wie unachtsam, sogar mit einem Zweck. Das hörende Herz braucht er damit er das „Volk zu regieren und das Gute vom Bösen zu unterscheiden versteht!“(1 Kön 3,9) 

Die Kluft zwischen Gut und Böse, der Unterschied zwischen Gott und seinen menschlichen und übermenschlichen Gegenspielern durchzieht die Bibel. Selten tritt dieser Unterschied in Reinform auf und zeigt sich als absoluter Gegensatz. Oft genug findet sich auch das biblische Personal vor der Herausforderung, unterscheiden zu müssen, Kompromisse einzugehen und statt der besten eher die am wenigsten schlechte Wahl treffen zu müssen; ganz so wie im echten Leben. Die guten und vorbildhaften Persönlichkeiten der Bibel sind die, die abwägen. Sie versuchen sich ein möglichst vollständiges Bild der Lage zu machen. Sie ziehen verschiedene Blickwinkel und Interessen in Betracht und bemühen sich vor allem darum, das Gesetz Gottes, die Tora, ihre Grundsätze und Werte mit den Erfordernissen der Zeit in Verbindung zu bringen. 

Als guter Politiker möchte Salomo nicht einfach nur oberflächlich Interessen bedienen. Ist das nicht richtungweisend? 

Mathieu Valet, Kaplan, Pfarrei im Wittlicher Tal St. Anna