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Brief an einen Freund

Datum:
13. Jan. 2024
Von:
J.-W. Henrich

Es war ein sehr dichter Moment - ich glaube, für uns beide - als ich meine Hände segnend auf Deinen Kopf legen durfte. 

Es sind auch diese besonderen Augenblicke, Jahr für Jahr an Silvester, die uns schon so lang verbinden. 

Dieses Mal haben wir beide an Deine bald anstehende OP gedacht. Gottes Segen für diesen Moment Deines Lebens, ich weiß, wie viel Dir das bedeutet. 

Ein dichter Moment, weil wir beide die Kraft des Segens spüren durften. Segen ist fließende Kraft, Lebensstrom, von Gott geschenkt und uns Menschen anvertraut, ihn weiterzuschenken. 

In meinen Augen ist der Segen eine der schönsten Gesten zwischen Menschen, zwischen Gott und uns Menschen. Es müssen nicht die segnenden Hände sein. Auch ein Blick, ein Wort, ausgesprochen oder bewußt darauf verzichtet, ein Kuss kann ein Segen sein. 

Mein Segen für Dich, mein guter Freund, war auch Dein Segen für mich. Von Gott geschenkter Lebensstrom, in den wir beide eintauchen durften und spüren, wie er uns verbindet. 

Weißt Du, wie sich das für mich anfühlte? Ich möchte es Dir mit einem Gedanken von Goethe sagen. Lotte und der junge Werther sind in der Kutsche unterwegs und "reden sich verliebt ineinander." Ein schöner Gedanke, oder? 

Keine Liebe auf den ersten Blick. Vielmehr ein in die Liebe sich hineinreden. Genau das war es: Im Segen durfte ich spüren, wie sehr Du Dich, mein Freund, in das Vertrauen hineingelebt hast. Dein tiefes Vertrauen, in das Du Dich über so viele Jahrzehnte hineingelebt hast. 

Hineingelebt durch so viele Erlebnisse und Erfahrungen, Höhen und Tiefen, Geschenke und Abschiede. Vertrauen ist nicht wie Liebe auf den ersten Blick. Vielmehr lebt man sich hinein, durch ein ganzes Leben hindurch. Dein Leben hat immer auch diese Dynamik und Richtung: Dich in das Vertrauen hineinzuleben. Danke, dass ich das spüren durfte. Danke, dass der Segen Dich darin vergewissert hat. 

Danke, Gott, dass Du uns gerade auf die besonderen Wege unseres Lebens etwas so Kostbares mitgibst: Vertrauen, dass es gut wird. 

J.-W. Henrich, ev. Pfr. in Traben-Trarbach und Wolf