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In der Wochenendausgabe des "Trierischen Volksfreundes" finden Sie die Rubrik "Glaube im Alltag". Dort werden die Beiträge von Autorinnen und Autoren aus dem Pastoralen Raum Wittlich oder der näheren Umgebung veröffentlicht. Auf unserer Homepage haben Sie die Möglichkeit, diese Beiträge nachzulesen.
Mariä Lichtmess
„Mariä Lichtmess, bei Tag z`Nacht gess“, so besagt es eine alte Bauernregel, die meine saarländische Oma immer gerne zitiert hat. Nach langen dunklen Winterwochen ist es am 2. Februar endlich soweit. Am Fest „Darstellung des Herrn“, volkstümlich auch Mariä Lichtmess genannt, kann endlich wieder im Hellen zu Abend gegessen werden. Nach den langen und dunklen Tagen des Winters haben wir wieder eine Ahnung vom Licht. Die Natur erwacht, die ersten Vögel singen und das Leben verlagert sich wieder mehr nach draußen. Das ist ein starkes Symbol des Aufbruchs. Im vergangenen Jahr sind wir mit großen Sorgen in diesen Winter gegangen. Werden wir genügend Gas haben, um unsere Häuser und Wohnungen heizen zu können? Wie kalt wird es in Büros, Schulen und Kirchen werden? Wird es zu Stromausfällen kommen? Reicht unser Geld für Lebensmittel und alle Dinge des täglichen Bedarfs? Was ist mit Corona? Viele dieser Sorgen haben sich relativiert. Nein, aus meiner Sicht war das damals keine Panikmache, sondern es waren Appelle an uns als Gesellschaft. Jeder Beitrag war, ist und bleibt wichtig. Jedes eingesparte Grad Raumtemperatur, jede ausgeschaltete Lampe und jede solidarisch getragene Maske. Wir haben das zusammen erreicht. Egal, wie klein jeder einzelne Beitrag war, das Große und Ganze zählt. Und darauf können wir stolz sein. So können wir großen Herausforderungen begegnen. Wenn viele kleine Leute an vielen kleinen Orten viele kleine Dinge tun, dann können wir das Gesicht der Welt verändern, so besagt es ein afrikanisches Sprichwort. Das macht mir Mut. Und diesen Mut nehme ich mit in das ganze Jahr. Mut zum Aufbruch, Mut zur Tat und Mut zum Vertrauen. Vertrauen in mich, in unsere Gesellschaft und in Gott. Ich wünsche Ihnen ein schönes, ein helles und ein erholsames Wochenende.
Thomas Pesch, Pastoralreferent, Maria Grünewald
Einmal Prinz zu sein …
Vor fünf Jahren hatte ich die folgenden Gedanken schon einmal geäußert. Und jetzt noch einmal. Denn in diesem Jahr gibt´s bei uns im Dorf keinen Prinzen Karneval. Schade!
Einmal Prinz zu sein, einmal Chef, - einmal ein Held, - einmal aus der alltäglichen Rolle herausspringen, einmal so richtig feiern und fröhlich sein, sich „daneben“ benehmen, im guten Sinn anders sein, den Alltag hinter sich lassen, die Sorgen vergessen und einfach nur Spaß am Leben, am Singen, am Tanzen und am Schunkeln haben: unser Karneval.
Er könnte eine Einübung sein auf das, was uns erwartet, das Fest ohne Ende, das himmlische Hochzeitsmahl. Wie Augustinus es gesehen hat: „Mensch, lern tanzen, sonst wissen die Engel im Himmel nichts mit dir anzufangen“. Wenn Kinder Könige und Prinzessinnen werden, Piraten und Ritter – dann stellen sie die Welt auf den Kopf, dann sind die Kleinen auf einmal die Großen. Dann spielen sie das Spiel der Erlösung, in der Gott diese Welt zurechtrückt. Im Grunde spielen sie dann das Magnifikat: „Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen.“
Wenn mich jeder verkleidete Mensch an diese jubelnde Zuversicht unseres Glaubens erinnern kann, dann nichts wie hinein in diese närrische Zeit. Sicherlich eine Motivation, die anderen eher befremdlich wirkt. Sich auch mal verkleiden, um das Spiel der Erlösung zu spielen. Dem Glauben ein freudiges Gesicht geben, weil Gott diese Welt verändert. Ich bin mir sicher: der Humor und die Freude sind Lesezeichen unseres Glaubens. Nicht nur an Karneval. Denn der Grund unserer Freude und unseres Humors ist die Zuversicht, die durch Leben und Sterben und in der Auferstehung Jesu in die Welt gekommen ist.
In diesem Sinne allen ein fröhliches Helau, erinnert doch dieser Ruf an das Halleluja in der Kirche, dem Ruf der Osterzeit, der, einfach übersetzt mit: Dann lasst uns doch endlich mal Gott loben, uns einlädt, der Freude Raum zu geben, weil er, Gott, in Jesus Christus am Wirken ist. Helau!
Pfr. Jaax
MENSCH SEIN
Was macht uns eigentlich zu Menschen? Vielleicht liegt es in der Eigenart des Jahresanfangs, uns diese elementaren Fragen zu stellen. Vielleicht sind es aber auch die furchtbaren Kriegsbilder des vergangenen Jahres, die vielen Bilder der Unmenschlichkeit, die uns drängen, den Menschen zu suchen, die Menschlichkeit, das Humane in uns und der Welt. Was macht uns zu Menschen? Unser Bewusstsein? Unsere Gedankenschärfe? Unser Erfindungsreichtum? Unser Forschen? Unser Glaube an das Gute? Ganz sicher, all das sind Attribute des Menschseins. Doch vielleicht müssen wir unsere Gedanken gar nicht so weit ausschweifen lassen. Vielleicht liegt ein Geheimnis unseres Menschseins manchmal darin, das Naheliegende zu sehen und zu tun. Unsere Tochter erzählt uns: "Ich stehe in der Fußgängerzone, um mich herum drei Männer des Ordnungsamtes. Sie behandeln mich wie eine Verbrecherin. Ich bin in der Fußgängerzone Fahrrad gefahren. Ich fühle mich so klein vor ihnen und bin so wütend, dass ich mit den Tränen kämpfe. Sie sehen nicht mich, sondern eine Ordnungswidrigkeit. Auf einmal steht eine Frau neben mir: "Ich bin ihre Freundin," sagt sie zu den Männern. Sie bleibt die ganze Zeit neben mir. Wie hat diese Frau zu mir gefunden? Wie konnte jemand meine verzweifelte Ohnmacht in dieser geschäftigen Fußgängerzone sehen? Wer konnte sehen, dass ich jetzt genau eine Frau wie diese brauche?" Das Naheliegende im wahrsten Sinne, oft ist es genau das, was uns zu Menschen macht. Das Naheliegende sehen und tun. Die Unmenschlichkeit durchbrechen, einem Menschen die Menschlichkeit wiedergeben, oft geschieht es einfach im Naheliegenden. Nicht im Kopf beginnt unser Menschsein, sondern auf der Straße. Nicht unser Wissen, unser Sehen und Wahrnehmen macht uns zu Menschen. Menschsein, wo uns das Leben dazu drängt. Menschsein, wo uns das Leben dazu auffordert. Vor allem aber Menschsein, wo uns das Leben dazu einlädt. Menschsein ist sehen, einander sehen, das Leben sehen, schon die kleinen Unmenschlichkeiten sehen. "Du bist ein Gott, der mich sieht" (Gen. 16,13), der Bibelvers, der über diesem Jahr steht. Ob darin das tiefste Geheimnis unseres Menschseins liegt? Gott sieht mich. Gott blickt mich an als Mensch. Der Gott, der Mensch ist, läßt mich Mensch werden. Ich sehe, weil Gott mich sieht. Du bist ein Mensch, den Gott sieht. Manchmal ist Menschsein ganz leicht. Und wenn wir es sind, ist es wunderschön. Die Erfüllung. Wir kommen bei uns selbst an. Eine Welt, die in diesem Jahr wieder mehr zu sich findet, Gott schenke es und gebe uns allen die Kraft dazu.
J.-W.Henrich, ev. Pfr. in Traben-Trarbach und Wolf
Neues entdecken
Kaum hat das Neue Jahr begonnen, ist Abi-Zeit, die Halbjahreszeugnisse werden bald verteilt, der Alltag lässt kaum Muße, Neues zu entdecken. Und doch frage ich mich mit Blick auf das vor uns liegende Jahr: Was gibt es Neues zu entdecken?
Die erste Ausgabe der Wochenzeitung „Die Zeit“ stellt „Zwölf Ideen für eine bessere Zukunft“ von Menschen unterschiedlichster Fachrichtungen vor. So antwortet die Philosophin Rosi Braidotti aus Utrecht auf die Frage „Können wir im Einklang mit der Natur leben?“ mit „Ja“. Ihre Entdeckung lautet: Alles ist belebt. Alles bewegt sich, ist schöpferisch und vital. Vom Kleinstlebewesen bis hin zum Menschen. Alle tragen Verantwortung füreinander.
Das erinnert mich an die Entdeckungen des Biologen Andreas Weber. In seinen Büchern „Biokapital“, „Lebendigkeit“ und „Alles fühlt“ beschreibt er die Angewiesenheit alles Lebendigen aufeinander.
Genau solche Entdeckungen von Philosph:innen und Biolog:innen fließen in die heutige Schöpfungstheologie und Ökologische Ethik ein: die Schöpfung wird als unverfügbares Geschenk verstanden, alle sind Teil der Schöpfung, alle auf einander angewiesen.
Auf einer kleinen Wanderung begegnet mir ein junger Mann, der mit einer Kamera eine Schlehenhecke in Augenschein nimmt. Neugierig frage ich ihn, wonach er Ausschau hält. Er erklärt mir, dass er auf den Ästen nach von Faltern abgelegten Eiern sucht. Damit ich eine Vorstellung bekomme, zeigt er mir Bilder eines wunderschönen fast durchsichtigen Falters mit zarter blauer Randzeichnung und zugehörigem korallenförmigen Ei, beides Wunderwerke der Natur. Bei „Jugend forscht“ hat für ihn diese Leidenschaft begonnen, Neues zu entdecken.
Also bereitet Schule nicht nur auf Abschlussprüfungen vor, sondern regt auch an, Neues zu entdecken. Und auch das neue Jahr hält überraschende Begegnungen bereit und ermöglicht, wie schon im Römerbrief 12,2 empfohlen, mich zu wandeln und Neues zu entdecken.
Christiane Friedrich,
Pastoralreferentin für Erwachsenenbildung im Pastoralen Raum Wittlich
Mit allen Wassern gewaschen
Das Kirchenjahr drückt ganz schön auf die Tube. Eben erst haben wir Weihnachten gefeiert,
das Kind von Betlehem in der Krippe bestaunt, die Sternsinger auf unseren Straßen gesehen,
und jetzt, an diesem Wochenende - so nach der Leseordnung der katholischen Kirche - steht
bereits der erwachsene Jesus vor uns, der sich im Jordanfluss von Johannes taufen lässt.
Taufe des Herrn heißt denn auch dieser Sonntag im kirchlichen Kalender.
Ich erinnere mich noch gut. Es hatte vor Jahren in seinen Gemeinden für gehörigen Wirbel
gesorgt, als einer meiner Mitbrüder aus meinem Weihejahrgang die Kinder „so wie früher“
taufte, d.h. die kleinen Täuflinge im Taufbecken ganz untertauchte! Ganz untertauchen? Ist
das nicht gefährlich? Einen solchen Vorgang kannte ich nur aus dem Schwimmbad, wenn wir
jungen Kerle uns aus lauter Übermut gegenseitig tunkten. Eindrücklich muss diese
ursprüngliche Ganzkörpertaufe in jedem Fall gewesen sein. Da bekommt man
augenscheinlich mit, was es heißt „mit allen Wassern gewaschen zu sein“. Normalerweise
verstehen wir darunter eher etwas Negatives. Da ist einer verschlagen, gerissen,
unberechenbar; einer, vor dem man sich in Acht nehmen sollte. Heute will ich es bewusst
anders verstanden wissen. Als Getaufter, als Christin, als Christ, bin ich eingetaucht in die
Gemeinschaft mit Gott, bin ich „umspült“, umfangen, von Gottes Liebe. Er steht zu mir. Ich
bin durchtränkt, durchdrungen von seiner guten Kraft, dem Heiligen Geist. Und das kann, ja
soll ich zeigen. Es gibt so viele Getaufte auf dem Papier. Vielleicht zählen Sie hinzu. Und
wenn es so ist, dann nicht abtauchen, auftauchen, zu erkennen geben, mit welchem Wasser
wir gewaschen sind. Wir sind es den Menschen schuldig. Ein anspruchsvolles
Jahresprogramm.
Matthias Veit, Pfarrer der Pfarrei Im Wittlicher Tal St. Anna
Alles hat seine Zeit
In unserer westlichen Welt gehen wir davon aus, dass Dinge ihren Anfang nehmen und
kontinuierlich auf ihren Endpunkt hinlaufen; meist verbunden mit der Erwartung von Verbesserung und Optimierung. Die gegenwärtigen Krisen aber lassen die Erwartung von humanitärem Fortschritt, wirtschaftlichem Wachstum oder internationaler Sicherheit fraglich erscheinen, bisherige Gewissheiten, Wertesysteme und Allianzen sind fragwürdig und brüchig geworden. Im Gegensatz zu unserem linearen Zeitverständnis herrscht in der jüdischen Tradition ein zyklisches Zeitverständnis vor. Im Buch Kohelet, das das Christentum in seine Bibel aufgenommen hat und damit wertschätzt, wird dieses zyklische Denken als ein großer Kreislauf von Werden und
Vergehen beschrieben. Kohelet weiß sich eingebunden in diese immer wiederkehrende Abfolge von Ereignissen. Er fühlt sich getragen und gehalten, denn Gott hat seine Schöpfung so eingerichtet. Für Kohelet ist klar: Alles hat seine Stunde. Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit: eine Zeit zum Gebären und eine Zeit zum Sterben, eine Zeit für die
Klage und eine Zeit für den Tanz; eine Zeit für den Krieg und eine Zeit für den Frieden. Wie das Einatmen auf das Ausatmen folgt, die Linderung auf den Schmerz, der Tag auf die Nacht, das neue Jahr auf das alte, so ist es auch mit Ereignissen und Geschehnissen: Sie kommen und gehen. Alles hat seine Zeit und seinen Platz. Alles, was ist, gehört zum Leben dazu. Auch wenn es nicht gut ist und vielleicht nie wieder gut wird, so hat doch alles seinen Sinn. Dieses zyklische Zeitverständnis erzählt vom Vertrauen in Gottes Handeln in der Geschichte und von der Zuversicht, dass alles Sinn hat, ohne Rücksicht darauf, wie es ausgeht. Ich wünsche uns allen die Erfahrung von Hoffnung und Vertrauen in Gottes Wirken auch in unserer Zeit.
Monika Bauer-Stutz, Pfarreiengemeinschaft Bernkastel-Kues
ACH, UNSERE GÄNGE !
Noch schnell etwas besorgen, nachbessern, vorbereiten, abholen,
organisieren, ehe der Besuch eintrifft, die Geschenke müssen geordnet und
etwas dekoriert werden, vielleicht auch noch die Skiausrüstung für den
Skiurlaub in Ordnung bringen.
Irgendwo in der Ukraine auf einem Kriegsschauplatz bei Stromausfall ein paar
Lichter ausfindig machen sich in einem raketensicheren Keller
zusammensetzen, etwas singen mit einer Gitarre oder in einen nahen
Gottesdienstraum huschen und frierend, aber glücklich versammelt sein.
Ja, damals waren es Hirten, die in einen Stall eilten. Unsere Vorfahren stapften
durch hohen Schnee mit Laternen zur Christmette. Vielleicht gibt es unter uns
nur noch wenige, die zum Kind eilen. Viele haben andere Termine: Festessen,
Bescherung, Besuche, abseits aller Bibelgeschichten und Bräuche oder zucken
ratlos bis gelangweilt und unwissend mit den Schultern.
Wir möchten trotzdem gehen und uns mit diesem Jesus treffen und andere
mitnehmen: vielleicht Obdachlose, die irgendwo hausen, oder die Flüchtlinge
aus Afghanistan von nebenan, die Frau, deren Mann sie und die Kinder
verlassen hat, dem Gehbehinderten unter die Arme greifen und jemanden,
der um ein verstorbenes Kind trauert und resigniert zuhause sitzt, zum
Mitgehen einladen – und vielleicht auch Freunde, die frustriert aus der Kirche
ausgetreten sind.
Diesen Jesus wieder entdecken, dem es einfällt, sich unter uns zu mischen,
nicht unbedingt in kirchlichen Feierlichkeiten und Aufzügen, aber dort, wo zwei
oder drei oder vierzig in seinem Namen zusammenkommen, überlegen, wie sie
konkret einer Not im Stadtteil oder Dorf abhelfen oder eine Schule im Sudan
unterstützen können.
Ach, Jesus ist längst aus den Kinderschuhen!
Br.Stephan.Himmerod
Lichtgestalten
„Mit der Geburt Jesu war es so…“ so beginnt das Evangelium vom heutigen vierten
Advent und stellt uns erneut zwei Lichtgestalten vor. Maria und Josef. Beide haben
der Botschaft unseres guten Gottes geglaubt. Beide haben aber auch intensiv
hinterfragt, gezweifelt, waren verunsichert und konnten vieles nicht verstehen. Nein,
sie haben dann nicht den Kopf in den Sand gesteckt, sondern haben sich in die Stille
zurückgezogen und nachgedacht; sie haben sich nicht dem Dunkel ihres Glaubens
hingegeben, sondern haben diesem Gott vertraut; sie haben ihm ihr Leben, ihren
Weg, ja wirklich den Weg in die Niederungen nach Bethlehem, anvertraut.
Wie vielen Menschen vor uns, neben uns und nach uns werden diesen ihren
Lebensweg im großen Vertrauen auf die Zusage dieses Gottes, „ich bin immer bei
euch“ noch gehen oder sind ihn schon gegangen? Ich denke an Mahatma Ghandi,
an Franz von Assisi, an Edith Stein, an Benedikt von Nursia, an Martin von Tours, an
Elisabeth von Thüringen; ganz viele könnte ich hier noch nennen. Sie alle sind
Lichtgestalten unseres Glaubens. Jeder und Jede auf ihre Weise haben uns
vorgelebt, dass Gott an unserer Seite ist. Ich gestehe, oft bin ich mutlos, fehlt mir das
Vertrauen, bin ich verunsichert und zweifle. Ich denke an die Kriege, an die
gewaltigen Preissteigerungen und daran, dass viele Mitmenschen nicht mehr wissen,
wie sie mit ihren Familien die kommenden Tage, geschweige die Weihnachtstage,
hinter sich bringen werden. Dann besinne ich mich auf die Geburt dieses Kindes, auf
die beängstigenden Erlebnisse seiner Eltern, Maria und Josef, vor und mit seiner
Geburt. Nein, billiger Trost ist es nicht, aber das Vertrauen, dass Gott auch heute
noch da ist. So gibt es immer noch viele Lichtgestalten in unserer Welt, in den
Krisen- und Kriegsgebieten, wie auch in unserem unmittelbaren Umfeld.
Gehen wir mit ganz viel Zuversicht und Vertrauen den Weg der kommenden Tage bis
zum Fest der Weihnacht und lassen wir uns nicht nur von den zahlreichen
Lichtgestalten ansprechen, sondern ganz intensiv von diesem Kind in der Krippe. Es
lohnt sich.
Katy Schug
Ehemalige Direktorin Caritasverband Mosel-Eifel-Hunsrück e. V.
Zusammen – Leben
Ab und zu ist es interessant eine Bibelstelle zu finden, die auch noch treffend ist. Im Brief an die Epheser steht im 5. Kapitel Vers16: „Macht das Beste aus eurer Zeit, gerade weil es schlimme
Tage sind.“* Ein Brief geschrieben von Paulus an die ersten Christen und unter anderen Umständen.
Es sind auch heute unruhige und unsichere Zeiten. Jede und jeder wird diese Zeit unterschiedlich erleben. Gemeinsam ist uns die Sorge wie es weitergeht. Der Brief bleibt aber nicht bei der Feststellung der Zeit stehen. Er gibt den Ratschlag: „Ermuntert einander mit Psalmen, Lobgesänge und geistlichen Liedern“.
Übersetzt auf heute: Das Beste ist möglich, wenn wir zugewandt zum Mit-Menschen sind. Gehen Sie auf die Mit-Menschen zu, reden Sie miteinander, hören Sie was man Ihnen berichtet. Zuhören ist schon ein großer Teil des Teil-Nehmens. Wir sind nicht Einzelne, sondern ein Teil von Vielen. Wir vergessen es nur manchmal, wenn das Leben uns negativ umzingelt. Dem Mitmenschen geht es evtl. ähnlich wie Ihnen. Ich gebe Ihnen noch einen Satz mit: „Wie wir leben, muss in Übereinstimmung mit dem sein, was wir glauben und was wir beten“.
Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Adventszeit
Rainer Marmann
evangelischer Christ
(*Basisbibel)
Segen
Kürzlich bin ich über einen Text von Jan Richardson gestolpert, in dem es um den Segen
geht.
Der Begriff „Segen“ scheint manchmal etwas angestaubt zu sein oder nur in die Kirche zu
gehören. Dabei war es früher durchaus Brauch, die Kinder zu segnen, wenn sie morgens
aus dem Haus in die Schule gingen oder jemandem ganz einfach Gottes Segen zu
wünschen.
In Richardsons Text heißt es: „Er (der Segen) ist ganz einfach hier, weil es nichts gibt, ...
was mehr nach einem Segen verlangt als eine Welt, die auseinanderfällt.“ – Wie treffend! Haben
wir nicht gerade 24 Stunden am Tag und sieben Tage in der Woche das Gefühl, dass das
Auseinanderfallen der Welt sicher in einem der nächsten Augenblicke, aber spätestens in
den nächsten Tagen der Fall sein wird? Klimawandel, Corona, Russlands Angriffskrieg in
der Ukraine, Inflation, Energiekrise, ja sogar die sonst so sorglos anmutende Fußball-WM – das
alles droht jeden Moment über uns zusammenzubrechen und unsere Welt auseinander
fallen zu lassen.
Aber ein Segen wäre kein Segen, wenn wir nicht durch ihn gestärkt würden und mit dieser
Stärkung die Nähe Gottes spüren würden.
Am Ende seines Textes personifiziert Jan Richardson den Segen, und das hat mich
fasziniert und diesen Text für mich so besonders gemacht: „Dieser Segen wird dich nicht
bestimmen, wird dich nicht flicken, wird dich nicht in falscher Sicherheit wiegen; er wird dir
nicht erzählen über eine sich öffnende Tür, wenn eine andere sich schließt. Er wird sich
einfach an deine Seite setzen, mitten in die Scherben, und ganz sanft dein Gesicht in die
Richtung drehen, aus der das Licht kommen wird, sich versammelnd über dir, wenn die Welt
wieder neu beginnt.“
Lassen Sie es zu, dass der Segen sich an Ihre Seite setzt und Ihr Gesicht in Richtung des
weihnachtlichen Lichts dreht, ganz langsam, 24 Stunden am Tag und sieben Tage die
Woche.
Monika Klas
Was macht Mut?
Vor Kurzem durfte ich an einer Veranstaltung teilnehmen, in der gefragt wurde:
Was macht eigentlich Mut im Herbst 2022?
Was macht mir eigentlich Mut im Herbst 2022?
Diese Frage kann ich nicht leicht beantworten. Anders rum eher. Da bin ich sehr geübt: Der
Blick auf die Krisen unserer Zeit beschäftigt mich wie viele andere: der nicht endende Krieg
in der Ukraine und seine wirtschaftlichen Folgen, der Missbrauch in der Kirche, die
Auswirkungen des Klimawandels sowie Corona und seine Folgen. An diesen Blick auf die
Welt habe ich mich gewöhnt. Wir müssen ja alle irgendwie trotzdem durch das Jahr und jetzt
auch noch durch den Winter kommen.
Jeder macht das natürlich ein wenig anders: die einen gehen auf die Straßen und werden
laut, die anderen versammeln sich zum Gebet und wieder andere schotten sich von der
Außenwelt komplett ab, weil sie es einfach nicht mehr ertragen - dieses nie endende
Drohszenario. Und vor allem die schrecklichen Bilder, die uns tagtäglich daran erinnern, wie
bedroht unser Leben eigentlich ist. Das ist wohl auch der Grund, warum der Videotext (Infos
ohne Bilder) neu an Attraktivität gewonnen hat.
Aber die Frage werde ich nicht los:
Wo spüre ich Hoffnung, Stärkung, Mut?
Wenn ich die Frage zulasse, schiebt sie mein Denken und Fühlen in eine neue, in eine
andere Richtung;
sie erinnert mich daran, dass nicht alles einfach immer nur grau und trostlos ist;
sie erinnert mich an die vielen kleinen Hoffnungs- und Mutmachgeschichten in meinem
Alltag: an den warmen Händedruck und die guten Wünsche der Kollegen; an den
wuscheligen Haarschopf unseres jüngsten Sohnes, der einfach mal kuscheln möchte, um
sich für den Schultag zu stärken; an die vielen Menschen, die sich tagtäglich kümmern,
damit so vieles doch noch funktioniert, was eigentlich kaum mehr möglich scheint - in der
Pflege, im Ehrenamt, in der Nachbarschaft.
Zeugnisse der Menschlichkeit und Warmherzigkeit.
Wenn ich daran denke … dann macht mir das Mut!
Nicole Claire Heckmann, Mitglied im Leitungsteam des Pastoralen Raums Wittlich
Sich auf den Himmel freuen?
In einem standardisierten Fragebogen wird eine Frau gefragt, worauf sie sich freue.
Sie nennt Einiges und ergänzt am Schluss: „Und auf den Himmel!“ Diese
Freudenhoffnung hat mich sehr berührt. Unsere dreijährige Enkelin sagte vor
kurzem zu ihrem Vater: “Wenn wir beide im Himmel sind, dann möchte ich auf
deinem Schoß sitzen und du liest mir vor.“ Kindermund trifft häufig den Nagel auf
den Kopf, sagt mehr als große Abhandlungen. Interessanterweise kennt das
Englische zwei Begriffe für Himmel: - sky und heaven. In beiden als Beispiel
genannten Fällen ist „heaven“ gemeint.
In einem Lied des Priesterdichters Wilhelm Willms heißt es:
weißt du wo
der himmel ist
außen oder innen
eine handbreit
rechts und links
du bist mitten drinnen
Dieses Lied wendet sich auch gegen die nichtbiblische Vertröstung auf den „Himmel“,
die früher in der Verkündigung Christen von der aktiven Weltgestaltung und-
mitverantwortung abhielt. Vor kurzem durfte ich bei der nichtreligösen Begräbnisfeier
meines Schwagers die Trauerrede halten. Bei der Vorbereitung wurde mir
schmerzlich bewusst, dass ich es bei meinen Krankenbesuchen vor seinem Tod
versäumt hatte, ihn nach seiner Einstellung zum Tod zu befragen und mit ihm das
Gespräch über seine Hoffnungen und Ängste zu suchen. In meiner Rede wies ich
dennoch darauf hin, dass kein Mensch ohne Hoffnung leben kann. Niemand kann
sich selbst wegdenken. Der Liedermacher Hans Dieter Hüsch hat seine Zuversicht in
einem Gedicht so ausgedrückt:
„Ich jedenfalls fühle mich nicht allein, Gott läßt mich nicht im Stich,
ich habe großes Vertrauen zu ihm, er allein erlöst mich,
wird mich in seine Armen nehmen und dorthin führen, wo ich erwartet werde.“
Ich werde nach meinem Tod erwartet – aus dieser Hoffnung heraus kann ich mein
Leben verantwortlich gestalten. Die Erwartung schließt die Hoffnung ein, dass das
Paradies vor uns liegt.
Wolfram Viertelhaus, Wittlich
Das einzig Wichtige im Leben…
In unseren Ohren klingen noch die Martinslieder nach und mancherorts glimmen sicher noch die
Martinsfeuer, wenn in den vergangenen Tagen Jung und Alt zu Ehren des Heiligen Martin „durch die
Straßen auf und nieder“ gezogen sind und unsere Dörfer und Städte, vor allem aber unsere Herzen
mit Wärme, Licht und Hoffnung erfüllt haben.
Der heilige Martin von Tours - ein Heiliger, der über die Grenzen von Generationen, Nationen und
Konfessionen hinweg verehrt wird und der durch sein vorbildliches christliches Leben und seine
Nächstenliebe fasziniert und überzeugt und Menschen in Bewegung bringt, auch noch 1625 Jahre
nach seinem Tod.
Ein Heiliger, der auch mein Leben immer wieder bewegt und der mich mir die Frage stellen lässt: Was
wird eigentlich mal von meinem Leben bleiben? Wen werde ich bewegt haben? Und was wird man
sich einmal nach meinem Tod von mir erzählen?
Ein Heiliger, der mir vom Himmel aus den Staffelstab hinhält und mir ermutigend zuruft:
„Jetzt bist Du gefragt! Heute bist Du der Mensch, durch den die Frohe Botschaft weitergereicht
werden will, damit die Hoffnung nie verklingt, damit Wärme und Licht auch weiterhin in den Herzen
der Menschen ankommen können.“
Der Theologe Albert Schweitzer hat es auf den Punkt gebracht, worauf es im also Leben ankommt:
„Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen.“
Sankt Martin – er hat viele davon hinterlassen und noch immer gehen wir jedes Jahr in seinen
Spuren. „Ein bisschen so wie Martin“ – so heißt es im Kinderlied. Und Martin ermutigt mich, ein
bisschen so wie er, zu einem Menschen zu werden, der Spuren der Liebe hinterlässt. Das nämlich
sind Spuren, in denen die Menschen, die mir nachfolgen, gut und gesegnet weitergehen können. Und
das sind Spuren, die mein eigenes Leben auf Kurs bringen in Richtung Himmel, von wo aus Martin mir
ganz bestimmt wohlwollend zur Seite steht bei meinen Versuchen, Spuren der Liebe zu hinterlassen.
Peter Zillgen, Jugendpfarrer, Kirche der Jugend Marienburg
Teilen
Stolz tragen die Kinder am Martinstag ihre Laternen vor sich her. Das Licht hat
Symbolcharakter:
Es zeigt, dass die Welt hell wird, wenn es Menschen gibt, die teilen. Das Vorbild dafür ist der
heilige Martin, dessen Fest am 11. November gefeiert wird.
Eine der Legenden erzählt von einer Begegnung Martins mit einem Bettler. Er teilte mit dem
Schwert seinen Mantel und gab dem Bettler die eine Hälfte. Diese Mantelteilung wird bei
den Martinsumzügen gerne nachgespielt. Denn Kleine und Große sollen erkennen, dass
Teilen auch heute noch sehr wichtig ist. Vermutlich teilen wir keinen Mantel mehr. Aber es
gibt Vieles, was wir teilen und verschenken können - nicht nur Geld, sondern vor allem Zeit,
Aufmerksamkeit, Vertrauen und Liebe. Dann wird das Leben hell, so wie es die Laternen der
Kinder am Martinstag symbolisch zeigen.
Hermann Barth, Altrich, Diplom Pädagoge
und ehemaliger Geschäftsführer des Caritasverbandes
Lebensperspektiven
In einer Zeit der Wirtschaftskrisen, der Auflösung von staatlichen und kirchlichen Strukturen, von privaten familiären, gesundheitlichen oder finanziellen Problemen den Kopf oben zu halten und langfristig einen Sinn darin zu sehen, wird zunehmend schwieriger. Die materiellen Aspekte mit dem Schwerpunkt auf Existenzsicherung und Konsum dominieren. Was unser eigentliches Leben ausmacht, der stetige Wechsel von Leere und Fülle, ist schwer auszuhalten und letztlich eine Frage der Perspektive. Es gibt Sichtweisen, die fruchtbringend sind und uns helfen, einen Sinn in seinem Dasein zu sehen, aber auch solche, die einengen und Angst machen. Ein schwedisches Märchen, in dem Naturerscheinungen und Tiere ihre Sicht darstellen, soll uns zum Nachdenken anregen. Für die Rose ist das Leben eine ständige Entwicklung hin zur Schönheit, der Schmetterling empfindet es als reine Freude und Sonnenschein. Die Biene entdeckt den Reiz im Wechsel von Arbeit und Vergnügen. Der blinde Maulwurf betrachtet es als ständigen Kampf im Dunkeln. Nach Meinung des Regens besteht das Leben aus Tränen, nichts als Tränen. Die Wellen der Meeresbrandung sehen es resigniert als vergebliches Ringen nach Freiheit. Der hoch in den Lüften kreisende Adler erlebt es als ständiges Streben nach oben, wohingegen die Weide es als ständiges Sichneigen unter eine höhere Macht einordnet. Irgendeine dieser Perspektiven hat wohl jeder in seinem persönlichen Schicksal erfahren und eingenommen. Ein letzter und überzeugender Sinn aber fehlt. Den liefert die Morgenröte, indem sie den anderen klarmacht: „Wie ich, die Morgenröte, der Beginn des kommenden Tages bin, so ist das Leben für mich der Beginn der Ewigkeit.“ Das bedeutet also, unser jetziges wechselvolles Leben, ob leicht oder schwer, das war oder ist nicht alles, da wartet noch ein ganzer Tag (oder Leben) auf uns. Bis dahin könnten wir die Welt in unserem kleinen Rahmen wie die Morgenröte etwas wärmer und heller machen. Eine lohnende Perspektive?!
Paul Plehacz, Lehrer i. R.
Das letzte Teilchen fehlt (noch)!
Lebenspuzzle steht auf der Verpackung und beim Ausschütten sehe ich die 1500 Teile beidseitig in einem schlichten Weiß vor mir liegen. Irritiert lese ich die Beschreibung: Du kannst dein Lebenspuzzle individuell gestalten; beginne am ersten Tag deines Lebens und verwende für jeden Monat ein Puzzleteil. Nummeriere die Teile, schreibe oder zeichne etwas auf ihnen, bist du im Heute angekommen bist. Lege
das Puzzle dann zusammen und ergänze nach und nach die restlichen weißen Teile mit deinen Gestaltungen. Das letzte, fehlende Puzzleteil ist nicht vorhanden, es hat seinen Grund! Genieße dein Lebenspuzzle! Gesagt-getan! Als Resultat liegt schließlich ein Puzzle vor mir, das so vielfältig und abwechslungsreich anmutet, wie das Leben so ist mit seinen Höhen und Tiefen. Eine Vielzahl von weißen Teilchen ist noch verstreut über die ganze Gestaltung übrig-zum Glück. Da habe ich ja in Zukunft jeden Monat eine schöne Beschäftigung, denke ich und freue mich darauf. Doch dieses fehlende letzte Teilchen, der eigentlich krönende Abschluss, was mag es damit auf sich haben? Beim Blick in meinen farbenfroh, leuchtenden Herbstgarten erreicht mich ein Gedanke: Ich kann mein Lebenspuzzle gestalten, in seinen
Einzelteilen betrachten, mich an die verschiedenen Erlebnisse und Ereignisse erinnern, dabei noch einmal die damit verknüpften betrüblichen und frohstimmenden Gefühle wachrufen, die Enttäuschungen und Hoffnungen rückblickend anschauen. Und doch werde ich nie das vollkommene Ganze sehen können. Vielmehr kann ich die Gewissheit spüren, dass dies ein anderer bereits für mich getan hat, auf den ich Kraft meines Glaubens vertrauen kann. ER wird das letzte Puzzleteilchen legen und bis dahin erinnere ich mich an Worte aus dem 1. Korintherbrief: “Jetzt erkenne ich stückweise, dann aber werde ich vollkommen erkennen“. Und bis diese Zeit der Vollkommenheit sein wird, habe ich hoffentlich noch die Möglichkeit eine Vielzahl von weißen Puzzleteilchen mit Leben zu füllen und sie jedes Mal voller Dankbarkeit an ihren Platz im Lebenspuzzle einzufügen.
Uschi Fusenig, Prädikantin Evangelische Kirchengemeinde Bernkastel-Kues
Zukunft braucht Erinnerung
Von Sören Kierkegaard stammt die Aussage: Das Leben muss rückwärts verstanden, aber vorwärts gelebt werden.
Wer sich erinnert und um die eigene Geschichte weiß, ist sich seiner Identität bewusst. Während Neugeborene ihre Lebensgeschichte gerade erst beginnen und keine Vorstellung von der eigenen Person haben, verlieren z. B. Menschen, die in einem fortgeschrittenen Stadium an Demenz erkrankt sind, immer mehr ihre Erinnerungen und damit einen wichtigen Teil ihrer Identität. Erinnerung stiftet Identität. Sie ist ein lebendiger Prozess, durch den größere Zusammenhänge erst sichtbar, wichtige Informationen weitergegeben und Traditionen festgeschrieben werden. Auch Gruppen, Vereine, Nationen und Kirchen gewinnen zu einem wesentlichen Teil ihre Identität aus dem Blick zurück.
Natürlich birgt die Rückschau immer auch die Gefahr, das Gewesene zu verklären und schönzureden. Man erinnert sich an Zustände, die in der Realität vielleicht nie so waren, wie sie erinnert werden.
Wer sein Leben in der Rückschau überblickt und Geschehnisse, frohe und leidvolle Erfahrungen in einer Gesamtschau wahrnimmt, gewinnt eine Ahnung von der Richtung und dem Sinn seines Lebens.
Geburtstage, Jubiläen, Gedenk- und Erinnerungsfeiern rufen die gelebte Geschichte ins Gedächtnis. Sie sind sinnvoll, wenn sie nicht ein sentimentales Schwelgen in der Vergangenheit sind, sondern helfen, aufmerksamer auf gesellschaftliche Entwicklungen zu achten oder das eigene Gedankengut und die eigenen Handlungsweisen bewusster zu reflektieren und ggf. zu verändern.
Aus der ehrlichen Rückschau kann sich ein hoffnungsvolles und zuversichtliches Zugehen auf Kommendes entwickeln und Kraft und Mut erwachsen, Zukunft zu gestalten.
Monika Bauer-Stutz, Pfarreiengemeinschaft Bernkastel-Kues
Dem Wir eine Chance geben
„Ich!“, „Du!“, „Ich!“, Du!“: Zwei Schülergruppen gehen aufeinander zu. Die einen rufen laut: „Ich!“
Und die anderen in derselben Intensität: „Du!“
Auf mich wirkte diese Szene in Wittlich am vergangen Samstagabend bedrohlich. Und ich dachte:
„Was passiert, wenn diese zwei Gruppen aufeinander stoßen?“
Gott sei Dank war dieses Erlebnis keine Erfahrung auf dem Schulhof, sondern eine Szene aus dem
Theaterstück zum 100jährigen Schuljubiläum des Cusanus-Gymnasiums.
Und doch erlebte ich diese Szene als Bedrohung, weil mir direkt Bilder in den Kopf schossen. Bilder
von Menschen im Kampf gegeneinander. Bilder von Menschen, die ihre Standpunkte als Leugner und
Befürworter knallhart gegeneinander vertreten. Bilder von wutentbrannten Menschen, die scheinbar
nicht mehr hinter ihre Position zurück gehen können.
Meine Anspannung, wie das wohl ausgehen wird, löste sich jedoch, als aus den „Ich“-Rufen und aus
den „Du“-Rufen kein immer lauteres Gegeneinander entstand, sondern sich nach und nach ein
gemeinsamer „Wir“-Ruf durchsetzte.
Im Miteinander-Ringen, im Aufeinander-Zugehen, im Hören auf die andere Position setzte sich nicht
eine der beiden Gruppen durch. Es gab keine Gewinner und Verlierer. Es kam nicht zum erbitterten
Kampf der beiden Seiten. Die gegensätzlichen Positionen gingen in eine neue Position über. Das „Ich“
wurde mit dem „Du“ zum „Wir“!
Mit diesem Ausgang des Theaterstücks hätte ich nicht gerechnet. Aber im Sinne des Nikolaus von
Kues konnte es gar nicht anders ausgehen. Gegensätze können überwunden werden. Gegensätze
können in einer anderen Form ineinander übergehen zu etwas Neuem, zu etwas Größerem, zu etwas
Verbindendem.
Und ich konnte nicht anders, als mich selbst zu fragen: Wo beharre ich auf meiner Überzeugung?
Und wo höre ich mir wirklich an, was der andere zu sagen hat? Wo bin ich bereit, etwas von der Idee
und der Überzeugung des anderen in mein Denken einzulassen, ohne mich selbst zu verraten? Wo
gebe ich diesem „Wir“ eine Chance?
Armin Surkus-Anzenhofer, Pastoralreferent aus Bausendorf,
Jugendarbeit im Pastoralen Raum Wittlich
und an der Fachstelle Plus für Kinder- und Jugendpastoral Marienburg und Wittlich
„Es ist einer weniger!“
Bei einem Abendspaziergang am Meer beobachtete ein Mann eine Frau, die äußerst gewissenhaft jeden Seestern, der gestrandet war, aufhob und zurück ins Meer warf. Der Mann beobachtete sie eine Weile und sagte dann zu ihr: „Es gibt so viele gestrandete Seesterne hier. Was kannst Du schon ändern, indem einen der vielen zurückwirfst?“ Als Antwort bückte sich die Frau und hob einen weiteren Seestern auf. Sie war ihn in die See und sagte: „Es ist einer weniger!“ Was für eine Haltung! Und mir gehen bei dieser Geschichte verschiedene Gedanken durch den Kopf:
Ein erster: Genauso wurde mir Gott von Jesus vorgestellt: Einer, der dem einzelnen nachgeht und sich um ihn sorgt. Siehe: Das Gleichnis vom verlorenen Schaf, als der Gute Hirt 99 Schafe zurücklässt, um das EINE verlorene zu suchen und zu finden!
Ein zweiter Gedanke: Diese Frau aus der Geschichte ist eine achtsame und aufmerksame Frau. Sie ist ferner eine Frau, die sich nicht entmutigen lässt von einer eigentlich überwältigend großen Aufgabe. Einfach anpacken, einfach loslegen, einfach helfen, ohne groß zu lamentieren oder zu protestieren oder zu berechnen!
Ein dritter Gedanke: Diese Frau ist ein lebendiger Impuls, darüber nachzudenken, wie mein Verhältnis zur Schöpfung ist, welche Verantwortung ich bereit bin zu übernehmen und wo ich mich einsetze für das Leben. Diese Gedanken passen gut zu Erntedank, welches an diesem Sonntag vielerorts begangen wird.
Aber auch der vierte Gedanke passt gut dazu: Ich nehme bei der Haltung dieser Frau Dankbarkeit wahr:
Dankbarkeit für jedes Leben! Dankbarkeit auch für das eigene Leben und die eigenen Möglichkeiten! Dankbarkeit auch für die Gaben der Erde! Aus Dankbarkeit folgt die Erkenntnis: Nichts ist selbstverständlich!
Ich verstehe die kleine Geschichte von dieser anpackenden Frau als Anstoß zum Denken, Danken und Handeln: „Es ist einer weniger!“
Ein aufmerksames und bewusstes Erntedankfest wünscht
Bruno Comes, Kooperator-Pfarrer PG Bernkastel-Kues
Begegnung
Am vergangenen Montag ist Queen Elizabeth II. zur letzten Ruhe gebettet worden. Hunderttausende haben in London von ihr Abschied genommen und weltweit haben Milliarden Menschen Trauer verspürt.
Wir alle haben sie nicht persönlich gekannt, aber viele haben das Gefühl, das mit ihrem Tod ein letztes Stückchen Kontinuität die Welt verlassen hat. In einer Zeit des Wandels, in der die Kirche und die Politik immer weniger Menschen Halt zu geben vermögen, war auf die Queen Verlass. Sie ist sich stets selber treu geblieben. Sie hatte ihre festen Rituale, sie hat ihre Werte vertreten und sich davon auch in manchem „Sturm“ nicht abbringen lassen. Sie hat die Herausforderungen, die das Leben ihr geboten hat angenommen und auf Gott vertraut. Ihr Versprechen, das sie im Alter von 21 Jahren gegeben hat, ihr ganzes Leben in den Dienst für ihre Untertanen zu stellen, hat sie wirklich bis zu ihrem Tod
eingehalten. Dafür wurde sie von vielen bewundert und damit kann sie ein Beispiel sein. Ihr Leben war geprägt von der Begegnung mit Menschen. Sicher hat Elizabeth II. in ihrem langen Leben hunderttausenden Menschen die Hand geschüttelt. Was alle berichten ist, dass sie in diesem kurzen Moment das Gefühl hatten, die Queen würde ihnen ihre volle Aufmerksamkeit widmen. Sie sei ganz da in
diesem Moment. Ein Händedruck, ein kurzer wacher Blick und ein großes Gefühl der wirklichen Begegnung. Von diesem Gefühl zehren viele Menschen bis heute. Das möchte ich auch versuchen. Ich möchte den Menschen, die mir begegnen, in diesem Moment meine volle Aufmerksamkeit schenken. Ganz im Augenblick sein. Ihnen in die Augen schauen, mich ihnen widmen und ihnen zeigen, dass sie mir wichtig sind. Ich möchte Sie einladen, dass auch selber auszuprobieren. In jedem Moment und in jeder Begegnung. Bei einem Treffen mit ihrer Familie, beim Einkauf in der Bäckerei, bei einer Zufallsbegegnung beim sonntäglichen Spaziergang. Schauen Sie ihr Gegenüber bewusst an, hören Sie zu und seien Sie ganz in diesem Moment.
Thomas Pesch, Pastoralreferent, Maria Grünewald
S e h ns u c ht n a c h d em A n d er s w o
so ist ein Gedicht von Mascha Kaléko betitelt, und wir denken an den Sommer, da sich so mancher Wunsch nach Aufbruch und Reisen erfüllte. Ungeachtet der Risiken wurde gebucht, und so mancher saß im Flugchaos auf irgendeinem Flughafen fest. Hauptsache weg, die Alltagssorgen hinter sich lassen, Corona vergessen, die schrecklichen Kriegsbilder ausblenden, das Leben genießen. Tapetenwechsel nennen es die Einen, Unterschiedsreize Andere. Doch der Alltag hat einen schnell wieder. Und neu wächst die Sehnsucht nach dem Anderswo, beginnt die Planung eines nächsten Urlaubs.
„Niemand kommt von einer Reise zurück, wie er abgereist ist“, las ich auf einem Kalenderblatt, und da ist was dran. Ein anderes Umfeld, interessante Begegnungen, neue Eindrücke, entdeckte Freiräume für uns selbst – das hinterlässt Spuren, bringt uns wieder uns selbst näher, beflügelt, lässt Lebensfreude und neue Kraft erwachsen.
So kennt auch die Bibel Unterwegsgeschichten, die prägend waren. Abraham folgte dem Ruf Gottes in ein fernes Land und wurde zum Segen für die Menschheit. Auch das Volk Israel hatte sich auf den Weg gemacht, aus der Sklaverei in die Freiheit, war dabei gereift, wurde gefestigt in seiner Identität und in seiner Gottesbeziehung. Wir denken an Jona und Elia, die sich ihrer Verantwortung entziehen wollten, flohen, aber unterwegs wieder zu ihrem Auftrag zurückfanden.
Ein Leben lang sind wir unterwegs, auf der Suche nach ein bisschen Glück, nach Erfüllung, nach Freiheit, sind letztlich auf der Suche nach dem Mehr im Leben, das diese Welt nicht zu geben vermag. „Die Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies ist uns in Herz geschrieben“, hat es der flämische Theologe Phil Bosmans formuliert. In Anbetracht all dessen, was im Leben bruch- stückhaft und unerfüllt bleibt, vertieft er noch seine Aussage: „Menschen suchen – unbewusst oder bewusst – den großen Strom, der sie hinträgt ans andere Ufer - in den endgültigen Hafen voller Licht und Liebe, den ich Gott nenne.“
Elfriede Klar
Lehrerin im Ruhestand 54518 Esch
Wie eine Blumenwiese...
Im Rahmen der Vorbereitung eines Einschulungsgottesdienstes haben 6.Klässler Wünsche
gesammelt. Diese möchte ich nun auch an dich weitergeben. Jeder erlebt immer wieder
Neues. Das Leben ist bunt und vielfältig, aber auch immer wieder von Sorgen geprägt.
Gerade in einer schwierigen Zeit ist es wichtig, den Blick auch auf das Positive und
Wunderbare zu lenken, denn das schenkt Freude und weckt Hoffnung, wie eine bunte
Blumenwiese. Da gibt es kleine Gänseblümchen, die uns anlachen. Sie sind ein halbes Jahr
an unserer Seite. Da gibt es die Margerite, der man zu gerne die Blütenblätter abzupft, um
„Er liebt mich, er liebt mich nicht“ zu spielen. Auf der ganzen Welt gleich heißt die
Erinnerungsblume, das Vergissmeinnicht. Die Narzisse steht für die Auferstehung Jesu und
das ewige Leben. Sie scheint „tot“, bis sie pünktlich zur Osterzeit den Menschen wieder
Hoffnung schenkt. Der Löwenzahn ist eine Allerweltpflanze. Aber ist voller Ausdauer und
kann sogar im engsten Asphaltspalt noch zum Blühen kommen. Die Sonnenblume strahlt
sonnengelb und die Kerne in der Mitte geben sich gegenseitig Halt. Und es gibt noch die
Rose, die Königin der Blumen, das Symbol der Liebe. Mit Blick auf diese Blumenvielfalt
wünsche ich dir ein Lächeln wie die Gänseblümchen sowie das Gefühl wertvoll und geliebt
zu sein. Denn Gott wählt nicht aus, wie beim Abzupfen der Margerite. Er liebt dich. Ich
wünsche dir viele tolle „Vergissmeinnicht“-Erinnerungen und Hoffnung in allen Lebenslagen.
Ich wünsche dir Ausdauer am Ball zu bleiben, wie der Löwenzahn, wenn du mal nicht so
motiviert bist. Und ich wünsche dir Menschen, mit denen du dir gegenseitig Halt geben
kannst und eine Einheit bist und dass jeder Mensch dir freundlich und liebevoll
gegenübertritt. Wenn wir diese bunte Vielfalt wahrnehmen, egal ob auf der Blumenwiese
oder unter uns Menschen, schaffen wir es gemeinsam zwischen all den Sorgen den Blick
wieder auf das Wunderbare zu lenken, was Freude schenkt und Hoffnung weckt.
Konstanze Petry
- Oberstudienrätin an der IGS Salmtal -
Hätte ich doch nur mehr Zeit im Büro verbracht....
„A busy man“ – ein vielbeschäftigter Mann, so lautete der Text eines amerikanischen Songs, den
ich öfter während meiner Studienzeit gehört habe. Die Geschichte dieses Liedes ist schnell erzählt:
Ein berufstätiger Manager hat keine Zeit für sein Kind, das mit ihm spielen will, es hört immer nur
„I’m a busy man“. Seine Frau wünscht sich mehr Zeit mit ihm, aber sie hört immer nur den gleichen
Satz, seine Arbeit steht für ihn im Mittelpunkt. Ja, es gibt viele, zu viele Menschen, für die die
Arbeit im Mittelpunkt stehen muss, weil das oftmals kleine Einkommen – manchmal aus mehreren
Jobs - (über-)lebenswichtig ist. Da bleibt nicht viel Zeit für andere wichtige Dinge. Doch wie sieht
es aus, wenn es um die Karriere, um beruflichen Aufstieg, um Ansehen und Titel geht? Wenn
Ehrgeiz und Eitelkeit alles Andere verdrängt, wenn selbstgesteckte persönliche Ziele rücksichtslos
werden lassen – gegenüber der eigenen Familie, Mitarbeitern, Kollegen – und gegen sich selbst?
Dann wirkt das vielbeschäftigt sein wie ein Gift – für das Umfeld und den Betroffenen selbst. Am
Ende nützt es niemanden – und vielleicht blickt man am Ende des Lebens zurück auf ein vertanes
Leben. Im Lied dreht sich die Situation. Als an einem Nachmittag der Chef des Managers ihn
anruft und ihn auffordert, in die Firma zu kommen, schaut er auf sein spielendes Kind und seine
Frau - und es kommt ihm ein ganz anderer Gedanke : Hab ich jemals einen Grabstein gesehen,
auf dem stand: Hätte ich doch mehr Zeit im Büro verbracht? Und so sagt er kurzerhand dem Chef:
„Keine Zeit – I’m a busy man!“ Er hat verstanden und sich entschieden. Stellen wir uns – wenn es
möglich ist – doch auch einfach die Frage, was für uns im Leben wichtig ist. Und zählt Zeit haben
für die Menschen, die uns nahestehen, nicht zu den wichtigsten Dingen des Lebens überhaupt?
Finden wir doch die rechte Balance : Auf der einen Seite die Arbeit – die selbstverständlich ein
wesentlicher Lebensinhalt bleiben soll – und auf der anderen Seite wir selbst und die, die wir im
Herzen tragen. So können wir Segen sein für Andere – und auch für uns selbst.
Rainer Martini
Fachdienst Caritas der Gemeinde
DAS KLEINE BISSCHEN MEHR
Klar, irgendwann würde das Virus seine Gelegenheit finden, sich in mich einzuschleichen. Milder Verlauf?
Bestimmt, auch wenn es sich für zwei Tage nicht so anfühlt. Am liebsten nur liegen, das Zimmer abgedunkelt, die Augen geschlossen. Keine Bilder mehr. Die empfundene Stille währt nur kurz. Nach und nach füllt sich das Zimmer mit unzähligen Geräuschen und Stimmen. Ich höre kräftige Männerstimmen. Sie klingen von der Baustelle herüber, wo gerade ein Haus errichtet wird. Die Männer rufen sich kurze Anweisungen zu, aber auch Scherze. Ich höre sie lachen. Ihre Arbeit kostet Kraft. Doch ihre Stimmen verraten, dass sie genug davon haben. Sie schöpfen aus dem Vollen. Kraft im Überschuss. Ich bewundere sie. Kaum schaffe ich die Treppe im Haus, können diese Männer mit ihrer Kraft nur so spielen. Sie haben mehr, als sie brauchen. So muss es sein, denke ich. Es ist genau dieses Stückchen "mehr", dieser Überschuss, diese Kraftreserve, die die Mühe der Arbeit in Freude wandelt. Die uns auch an vollen Tagen noch Raum für Scherze und ein bisschen Blödsinn schenkt. Die uns auch in harten Zeiten lachen läßt, aus dem "mehr" heraus. Es ist dieser Überschuss, der unserem Mut wieder aufhilft, uns manches wieder und wieder angehen läßt, uns hoffen und vertrauen läßt. Die Scherze der Männer verstehe ich nicht, doch sie ziehen mich hinein in ihre gute Stimmung. Ist mir dieses Lebensgefühl, das sie gerade versprühen, nicht durch und durch vertraut: Aus einem Überschuss an Lebenskraft an vielen Morgen an mein Tagewerk zu gehen? Nicht kleinlich meine Zeit bemessen zu müssen. Manchmal einfach tun zu dürfen, geben, schenken, so, wie ein Mensch es gerade braucht und zu wissen, Gott legt mir an fast jedem Morgen ein bisschen mehr Kraft bei, als ich streng genommen nötige habe. Dieses "mehr" ist das große Plus unseres Lebens. Daraus entsteht , was uns nicht nur leben, sondern lieben läßt. Plötzlich läuten die Glocken. Es ist Mittag. Für ein paar Minuten tritt vieles andere zurück. Vielleicht auch, um diesem schönen Gedanken in uns ab und zu Raum zu geben: Wir leben von der Kraft, die über uns hinausgeht, diesem Geschenk des "mehr". Sie ist einfach da, fast immer. Ein Wunder, ein Geheimnis, eine der vielen Spuren Gottes.
J.-W.Henrich, ev. Pfr. Traben-Trarbach und Wolf
Der hl. Rochus grüßt zur Säubrennerkirmes
Ich freue mich, dass dieses Jahr wieder die Säubrennerkirmes stattfinden kann. Zwei Jahre hat Corona
verhindert, dass Ihr Wittlicher und alle Gäste aus Nah und Fern in der Stadt miteinander feiern konntet.
Das ist eben nicht selbstververständlich. Wir erfahren unsere Grenzen gerade in den letzten zwei Jahren
auch durch den Ukraine Krieg, die Klima-veränderungen, Flutkatastrophen und Waldbrände. Zu meiner
Zeit wütete die Pest als große Herausforderung. Gerade in solchen Situationen ist es wichtig, zusammen
zu stehen und einander zu helfen, mit Zuversicht und Weitblick Lösungen zu finden. Und diese
Zuversicht hat für mich einen tiefen Grund: Jesus Christus, der mein Leben getragen und mir Halt
gegeben hat. Mit seiner Hilfe konnte ich damals viele Kranke heilen. Als ich selbst sehr krank war, hat ein
Hund mir jeden Tag frisches Brot gebracht, bis ich wieder gesund wurde. Deshalb werde ich dargestellt
mit einer Pestbeule am Knie und dem Hund an meiner Seite. So habe ich Hilfe erfahren und konnte auch
vielen Menschen helfen und Mut machen. Deshalb werde ich bis heute als Nothelfer angerufen und auch
an der Säubrennerkirmes geehrt. Wenn ich vom Rathaus auf die Stadt und die Menschen schaue, so kann ich vieles erleben. Ich sehe Familien und Singles, Paare, die heiraten, Kinder,die sich gerne auf die
Säubrenner–Schweinchen setzen, Touristen von überall und Flüchtlinge, die hier ein neues Leben
beginnen wollen. Ich habe das Hochwasser gesehen, viele Feuerwehrleute und andere, die geholfen
haben. So nehme ich an den Sorgen und Freuden der Menschen Anteil. Ich wünsche allen, die zur
Säubrennerkirmes kommen, schöne Tage und frohe Begegnungen und hoffe, dass sie sich
verantwortungsbewusst verhalten. Jesus hat auch gerne mit Menschen gegessen, getrunken und gefeiert.
Er ist an den Kirmestagen in unserer Mitte und auch wenn wir am Kirmessonntag den Fest-Gottesdienst
in St. Markus feiern. So können wir Gott begegnen, der der Grund unserer Zuversicht und Freude ist. Er
will uns Leben heute und für immer schenken. Ich grüße alle Wittlicher und Gäste und wünsche Euch
eine frohe Säubrennerkirmes.
Bleibt gesund und zuversichtlich!
Euer Schutzpatron, der hl. Rochus
Manfred Walter, Pastoralreferent i.R., Wittlich
Glauben im Alltag - das ist nicht nur etwas für religiöse Menschen. Glauben im Alltag, ich wage die These: das tut jeder.
In unserer hochtechnisierten Welt kommen wir ja ohne ein hohes Maß an Vertrauen und
Glauben überhaupt nicht aus. Wir steigen in ein Flugzeug und glauben, dass es fliegt und dass
der Pilot in der Lage ist, das Gerät sicher zu beherrschen.
Und so ist es mit tausend Dingen in unserem Leben. Ob wir eine Maschine einschalten oder bei
Grün über die Straße fahren, ob wir eine Nachricht über ein fernes Land hören oder ob
wir auf dem OP-Tisch liegen und einem komplizierten Eingriff entgegensehen - überall
können wir gar nicht anders, als anderen Menschen Glauben zu schenken. Und im
Vertrauen darauf, dass andere es gut mit uns meinen, gehen wir den nächsten Schritt.
Schlimm wird es dann, wenn der Glaube missbraucht, wenn das Vertrauen, das wir
geben, enttäuscht wird. Dann zerbricht menschliche Gemeinschaft. Und uns wird schnell
klar: Es ist nicht egal, was einer glaubt. Und es ist noch weniger egal, wem wir glauben.
Wenn schon Vertrauen und Glauben in unserem Alltag so wichtig ist, wenn es um die
alltägliche Beziehung unter uns Menschen und um das Gelingen menschlichen
Zusammenlebens geht, wie viel mehr dann, wenn da auch noch eine religiöse Ebene ins
Spiel kommt, die Beziehung zu einem Wesen, das wir Gott nennen.
Da ist es sicherlich nicht egal, was einer glaubt, und noch weniger, wem einer
glaubt. Auch in einem solchen Glauben kann ein Mensch zerbrechen, kann
enttäuscht, sein Glaube missbraucht werden. Und auch ein solcher Glaube kann alle
Situationen des Lebens, alle Gegebenheiten des Alltags durchdringen und beeinflussen,
wenn der Mensch es will. Glauben im Alltag, - das ist auch etwas für religiöse
Menschen. Und ich wage die These: Das kann jeder. Ob es sich lohnt, zu
glauben? Wenn ich davon ausgehe, dass Glaube im Alltag allgegenwärtig ist,
dann ganz sicherlich „Ja“.
Pfr. Johannes Jaax
Andenken
Was bringen Sie aus Ihrem Urlaub mit? Fotos der schönsten Augenblicke? Ein Souvenir? Alles Dinge, die an die schönsten Wochen im Jahr erinnern helfen und so die Erholung
nachwirken lassen. Psychologen raten zu Andenken, die an das erinnern, was das Leben bereichert und lebenswert macht.
Eine ökumenische Frauengruppe feiert seit der Pandemie jede Woche Gottesdienst: draußen, in einer Kapelle, zuhause. Nach jedem Treffen füllt ein Gedanke, Foto, Andenken ihr
Tagebuch. Inzwischen erzählt ihr Tagebuch, wie sie miteinander durch die schwere Zeit geführt wurden und sie stellen fest: „Da ist uns Gott begegnet, diese gute religiöse Erfahrung
begleitet und trägt uns im weiteren Leben.“
Ein Blick in die Bibel bestätigt diese Feststellung: Im 2. Buch der Bibel, im Buch Exodus, wird von einer kleinen Gruppe Israeliten erzählt, die durch die Wüste wandert, nachdem sie
der Sklavenarbeit in Ägypten entkommen ist. Sie sind hungrig, verzweifelt und beginnen, sich nach den Fleischtöpfen Ägyptens zu sehnen. Ihre Verzweiflung wird erhört, sie finden etwas
zu essen, das sie „Manna“, „Was ist das?“ nennen und sie täglich satt macht. Als Andenken an ihre erneute Errettung sammeln sie einen Eimer voll Manna als Zeichen für die künftigen
Generationen. Zwar gibt es den Eimer mit dem Manna nicht mehr, aber die Erinnerung an die rettende Tat Gottes hat sich über 3000 Jahre erhalten, weil Menschen sie von Generation zu
Generation weitererzählt haben.
Diese Erzählung ist bis heute eine Anregung, eigene gute Erfahrungen im Leben zu sammeln. Ich kann Erinnerungen schaffen, die tragfähig sind für Zeiten, in denen die Zukunft nicht
mehr so rosig aussieht. Wenn Sie Ihre Urlaubserinnerungen sammeln, ist dies vielleicht auch eine Gelegenheit, Rückschau zu halten. Vielleicht erinnern Sie Begegnungen mit Menschen in
lebenswichtigen Situationen, lebenswerte Erfahrungen, die Ihnen Gott ein Stückchen näher gebracht haben? Vielleicht hilft Ihnen ein Andenken, diese Erfahrung auch im Alltag wach zu
halten?
Christiane Friedrich, Pastoralreferentin für Erwachsenenbildung im Pastoralen Raum Wittlich
Engel lauern überall
Heute bin ich mal wieder mit dem Rad zur Arbeit gefahren. Auf dem Hinweg dachte ich mir, im
Vorderrad ist wenig Luft drin. Nach einem arbeitsreichen Vormittag gönnte ich mir einen freien
Nachmittag – aber vorher noch auf die Tankstelle, das Vorderrad aufpumpen. Von weitem sah ich
schon eine Dame, die komisch um ihr Fahrrad ging. Etwas stimmte nicht. Langsam kam ich näher und
sah, dass die Kette abgesprungen und das hintere Rad platt war. Aufgeregt sprach sie mich an, ob ich
ihr helfen könne. Für mich war das kein Thema und in wenigen Minuten war alles wieder in Ordnung
und mein Vorderrad auch aufgepumpt. „Sie hat der Engel geschickt“, bekam ich vor der Weiterfahrt
noch zugerufen. Auf dem weiteren Heimweg musste ich öfter an diese Worte der Dame denken.
Wieso sollen Engel mich geschickt haben? Ich war doch gerade zufällig da und habe nur geholfen.
Aber klar kenne ich auch das Sprichwort mit dem Engel.
Auf meiner Weiterfahrt entdeckte ich mitten auf dem Fahrradweg von Platten nach Maring-Noviand
eine Kinderbrille. Auch hier hielt ich an und legte die Brille auf einen dicken Stein, der direkt am Weg
lag. Hoffentlich findet die Mutter die Brille hier wieder. Ich fragte mich, ob auch hier der Engel seine
Finger mit im Spiel hatte. Morgen bin ich wieder auf der gleichen Strecke unterwegs und dann würde
ich mich freuen, wenn die Brille hoffentlich gefunden und wieder heil bei dem Kind gelandet ist.
Zu Hause angekommen dachte ich mir, Du fängst schon einmal an zu kochen. Wenn die Kinder nach
Hause kommen, wird der Hunger wohl groß sein. Ich setzte einen großen Topf Nudel auf und machte
eine schöne Pasta. „Oh Papa“, ruft meine Tochter an der Tür, „Dich hat der Engel geschickt, ich habe
so ein Hunger!“ Da war er schon wieder. Der Engel! So langsam wurde es mir unheimlich, wie oft
einem dieser Engel so am Tag begegnen kann.
Abends ging ich dann noch eine Runde Schwimmen, als ich ganz unten im Becken etwas Schwarzes
schimmern sah. Es war der Schlüssel Nr. 63 eines Schließfaches im Foyer des Bades. Was sollte wohl
in dem Fach 63 drin sein? Ist auch egal und geht mich nichts an - schnell war der Schlüssel aus dem
Becken geholt und beim Bademeister abgegeben. Nach einer allgemeinen Durchsage im Bad konnte
der verlorene Schlüssel an den sichtlich erleichternden Gast zurückgegeben werden. Ich wusste gar
nicht, dass Engel auch tauchen können.
Abends bei einen Glas Wein musste ich dies alles einmal auf Papier bringen.
Beim Schreiben dieser Zeilen kam ich zur der Erkenntnis: “Heute war Dein Glückstag!“
Marco Brixius, Leitungsteam im Pastoralen Raum Wittlich
Der Gott, der mich sieht
In der Firmvorbereitung gab es einen Stationenweg, bei dem die Jugendlichen verschiedene Aspekte ihres Lebens betrachten konnten. In den anschließenden Gesprächen zeigten sich viele besonders beeindruckt davon, dass Gott jede und jeden einzelnen Menschen sieht und annimmt. Jede und jeder von uns kennt den Wunsch gesehen und wahrgenommen zu werden, nicht vergessen zu sein. Besonders drängend mag dieser Wunsch in unsicheren Lebensphasen oder in Zeiten der Neuorientierung sein.
Eine biblische Geschichte erzählt von einer ägyptische Sklavin, die für Abraham und dessen Frau Sara arbeitet. Da Sara kinderlos bleibt bittet sie Abraham, stellvertretend für sie mit ihrer Sklavin Hagar ein Kind zu zeugen. Als Hagar schwanger wird, kommt es zwischen den Frauen zu Konflikten. Hagar flieht in die Wüste. Dort begegnet ihr Gott, der ihr und ihrem zukünftigen Sohn viele Nachkommen und eine gute
Zukunft verheißt. Allerdings fordert er sie auf: »Geh zurück! Auch wenn ich jetzt noch nichts an deiner Situation ändere, so habe ich dich trotzdem wahrgenommen, und ich überlasse dich nicht einfach deinem
Schicksal.« Hagar gibt Gott den Namen »Der, der mich sieht«. Sie hat mit Gott jemanden gefunden, der sie sieht, der ihren Schmerz, ihre Verzweiflung wahrnimmt. Das tut ihr gut und stärkt sie, gibt ihr neuen Mut und neue Kraft. Hagar kehrt zurück und bringt ihren Sohn Ismael zur Welt. Als Sara unverhofft selbst einen Sohn gebiert, werden Hagar und Ismael ein zweites Male vertrieben. Wieder geht es um Leben und Tod. Doch Gott hilft Hagar und Ismael, er beschützt sie und zeigt ihnen neue Wege für ihr Leben. Die Geschichte Hagars kann uns Mut machen und unser Vertrauen auf Gott stärken. Sie kann uns auch fragen lassen: Wen übersehe ich? Wer bräuchte eine Geste des Wahrgenommen Werdens? Wen kann ich ermutigen, und wem erzählen von unserem Gott, der uns sieht?
Monika Bauer-Stutz,
Pfarreiengemeinschaft Bernkastel-Kues
Trotz – dem
Sind Sie auch gerne unterwegs, alleine oder mit anderen? Mögen Sie sich mal treiben lassen, ohne Ziel, ja antreiben lassen von…? Da soll es einen Geist geben, der ungefragt, ungebeten in Ihr Leben tritt. Manchmal in Augenblicken, in denen ein Schimmer von - es geht nicht weiter in meinem Leben – aufscheint. Dann kann es sein, dass ER Sie in eine neue Richtung treibt, in vielleicht Unbekanntes. Er lenkt Sie in Neues, zu Neuem. Es ist eine Ablenkung von Altem zu einem neuen Ziel. Unterwegs können Sie neue Begegnungen haben, Austausch, Neues sehen. Sie sind immer noch gerne unterwegs trotz zu viel Neuem? Vertrauen Sie darauf, dass alles einen Sinn haben wird und dass Sie in der richtigen Richtung sind und am Ziel, wie immer dieses sein wird, ankommen. Sie sind unterwegs ins Leben. Trotz – dem, wagen Sie die Ab – lenkung und lassen Sie sich auf die Geist – Logik ein.
Rainer Marmann
evangelischer Christ
„Hohenschönhausen“
– denjenigen von Ihnen, die in der ehemaligen DDR gelebt haben, ist dies vermutlich ein Begriff. Allen anderen sei erklärt, dass das das Stasi-Gefängnis war, in dem menschenverachtende Verhöre durchgeführt wurden, um auf entwürdigende Weise an Informationen und Informanden zu kommen, die das Konstrukt des DDR-Staates gefährdeten.
Man hat das Gelände und die Gebäude zu einer Gedenkstätte gemacht, durch die die Besucher von Zeitzeugen geführt werden, die dort inhaftiert gewesen sind. Mischa Naue ist ein solcher Zeitzeuge, den ich bei einer Führung mit einer Schulklasse erleben durfte. Ein äußerst beeindruckender Mensch, der im Alter von 19 Jahren nur Demokratie und Freiheit wollte. Zwei Dinge, die für uns eine Selbstverständlichkeit waren und sind, ihm aber vier Monate in Hohenschönhausen, neun Monate in Naumburg und schließlich die Ausreise in die BRD im Rahmen des Häftlingsfreikaufs einbrachten.
Mein erster Eindruck vermittelte mir das Gefühl, dass ich hier einem Menschen gegenüberstehe, der sein Leben nach seiner Inhaftierung nie wieder richtig in den Griff bekommen hat. Weit gefehlt! Micha Naue blickt heute, mit fast 60 Jahren, auf ein äußerst bewegtes Leben zurück, das noch viel Raum für Neues lässt. Seine Kraft und seine Zuversicht dafür schöpfte er bereits als Jugendlicher aus der Religion des Buddhismus. Schon allein diese religiöse Neigung war in der sozialistischen DDR mehr als gewagt und brachte ihn ins Visier der Stasi. Kombiniert mit vielen weiteren durch den Stasi-Staat verursachten Schwierigkeiten sah er sich dazu veranlasst, zwei Fluchtversuche zu planen und durchzuführen – ohne Erfolg.
Aus seiner Religion schöpfte er die Kraft, immer wieder aufzustehen, nach vorne zu blicken und seinem Leben Richtung, Sinn und Ziel zu geben. Die zweite Kraft, die dies vermochte, war seine Oma Hedwig; ihr hat er auch sein erstes Buch gewidmet. Beide Kräfte lassen ihn eine beneidenswerte, nahezu vollkommene Ruhe und Zufriedenheit ausstrahlen.
Monika Klas
Feindesliebe
Haben Sie Stress mit Nachbarn? Gibt es jemanden, der nur in Ihre Nähe kommen muss, um Ihnen den Tag zu verderben? Mit manchen Menschen stimmt einfach die Chemie nicht. “Ihr sollt eure Feinde lieben und nicht hassen.“ Dieses Wort aus der Bergpredigt scheint das lebensfernste aller Gebote zu sein.Wie kann man sich zur Liebe zwingen, wenn andere es einem schwer machen? Eine interessante Deutung dazu stammt von dem Religionsphilosophen Pinchas Lapide. Er sagt, dass Jesus seine Forderung zur Feindesliebe ernst gemeint hat, sie aber nicht so zu verstehen ist, dass man verhasste Menschen liebevoll ins Herz schließen muss. Das wäre Heuchelei. ,,Piep,piep,piep, wir haben uns alle lieb“ - das macht die christliche Forderung der Feindesliebe lächerlich.
Lapide untersuchte, welches aramäische Wort Jesus damals gebraucht haben könnte. Sein Ergebnis ist bemerkenswert. Bei dem aramäischen Wort für Feindesliebe geht es nicht um Gefühle, sondern um Taten. Es geht darum, Brücken zu bauen, damit eine Verständigung wieder gelingen kann. Es geht nicht darum, den Nachbarn oder den Kollegen zu lieben, aber sehr wohl darum, sie als Menschen zu sehen und zu würdigen. Das ist keine leichte Forderung, aber eine machbare. Nimmt man sie ernst, wird es kein Friede-Freude-Eierkuchen geben, aber doch wenigstens einen würdigen Umgang mit anderen Menschen.
Hermann Barth, Altrich
Diplom Pädagoge und ehemaliger Geschäftsführer des Caritasverbandes
„Ich sehe was, was du nicht siehst!“
Wer hat das nicht schon als Kind gespielt!?
Ich finde, das ist ein wertvolles Spiel, das nicht nur auf langen Autofahrten den Kindern die Langeweile vertreiben kann, sondern das sich auch für Erwachsene hervorragend eignet und von ihnen neu entdeckt werden sollte, weil es die Achtsamkeit trainiert und weil es mich dazu animiert, mit den Augen des anderen sehen zu lernen.
Und oft werde ich merken: Die Perspektive des anderen, die Art und Weise, wie er die Welt sieht, bereichert auch mein Leben! Weil der andere anders sieht als ich, weil dem anderen andere Dinge auffallen und wichtig sind, die mir vielleicht entgangen sind, und weil wir gemeinsam mehr und besser und schöner sehen!
In Freundschaften, in Ehe und Familie geht es doch genau darum: die Welt und mich selbst neu sehen zu lernen. Und was ist das Wichtigste, das der Freund, der Partner, die Kinder durch mich sehen lernen können? Dass sie liebenswert sind. Liebe will immer: sichtbar, spürbar, konkret werden. Darum ist es meine Aufgabe: dem anderen die Liebe, die ich zu ihm habe und die ja an sich unsichtbar ist, sichtbar zu machen.
Jedes Jahr im Juni stellen wir Christen in besonderer Weise einen Gott in die Mitte, der dasselbe will: Seine Liebe zu uns sichtbar werden lassen. Denn der Juni ist traditionell der „Monat des Herzens Jesu“, dessen Hochfest wir gestern feiern durften und das uns erinnert: Wir glauben an einen Gott, der mich im Herzen trägt, der nichts als Liebe für mich übrighat.
„Ich sehe was, was du nicht siehst.“ Ich glaube, das ist unser Auftrag als Kirche: Die Welt zu diesem Spiel einzuladen und ihr diesen unsichtbaren Gott, den wir im Herzen spüren und „sehen“, immer wieder vor Augen zu führen. Jeder Mensch, jede Begegnung, die mich heute erwartet, ist eine Gelegenheit dazu: Gottes unsichtbare Liebe zu jedem und jeder von uns sichtbar, spürbar und konkret werden zu lassen.
Jugendpfarrer Peter Zillgen, Wittlich
Die Katholiken feiern Fronleichnam,
machen festliche Prozessionen mit Fahnen, Musik, und viel traditionelles, fast volkstümliches Brauchtum. Und in der Mitte der Priester mit der Monstranz unter einem tragbaren Himmel. Warum? Ein Erklärungsversuch:
Ein englischer Journalist kaufte sich ein Dreipfundbrot und stellte sich damit an belebte Straßenecken verschiedener Städte. Die Vorübergehenden forderte er auf, für dieses Brot eine Stunde zu arbeiten. Seine Ergebnisse: In Hamburg wurde er ausgelacht. In New York von der Polizei festgenommen. Im afrikanischen Nigeria waren mehrere Personen bereit, für dieses Brot drei Stunden zu arbeiten. Im indischen New Dehli hatten sich rasch mehrere hundert Personen angesammelt, die alle für dieses Brot einen ganzen Tag arbeiten wollten.
Wenn schon einfaches Brot solch verschiedene Reaktionen auslösen kann, wie ist es dann, wenn die Katholiken am Fest Fronleichnam das Kostbarste, das sie haben, durch die Straßen tragen, – ein kleines Stückchen Brot in einem kostbaren Zeigegefäß, der Monstranz. Denn sie glauben an die geheimnisvolle Gegenwart Jesu Christi in diesem Brot. Es ist für sie das Brot des Lebens.
Das Tragen dieses Brotes durch die Straßen soll keine Provokation sein, sondern einfach Ausdruck unseres Glaubens.
Dieses Brot weist darauf hin, dass Essen und Trinken allein nicht genügen, um unseren Lebenshunger zu stillen. Es steht für Hingabe, verkörpert das Für einander da sein, eigentlich all das, wofür sich dieser Jesus eingesetzt hat, um Menschen Leben zu ermöglichen, zusammengefasst in dem einen Wort: Liebe. Das Brot in der Monstranz weist darum auf, was wir Christen auf dem Weltmarkt der Weltanschauungen und Religionen anzubieten haben, die Orientierung am Leben Jesu.
Wir schauen auf ihn, auf das Beispiel seines Lebens. Er ist zum Weizenkorn geworden, das stirbt und neues Leben bringt. Brot für Leben, Leben für Brot.
Darum zeigen wir dieses Brot den Menschen, es ist unsere Gabe und es ist unsere Aufgabe.
Johannes Jaax, Pfarrer PG Salmtal
Wer sucht, der findet - den Frieden!
Christentum, Judentum und Islam haben in ihren Lehren Gemeinsamkeiten, diese zeigen sich unter anderem in den verwendeten Begriffen wie Freundschaft und Verständnis, Verzeihen und Frieden.
Die Tora, als das Heilige Buch des Judentums und das Alte Testament des Christentums, erzählt von Gott, der Frieden zwischen den Völkern schafft: "Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern und Winzermesser aus ihren Lanzen".
Im Neuen Testament der Bibel heißt es dann in der Bergpredigt: "Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne (und Töchter) Gottes genannt werden."
Auch im Koran, dem heiligen Buch des Islam, ist häufig vom Friedenstiften zu lesen: "Wenn ihr verzeiht, so folgt ihr damit dem Beispiel Gottes. Gott ist barmherzig und bereit zu vergeben."
In Anbetracht dieser friedvollen Gedanken taucht für mich nun unweigerlich die Frage danach auf, warum es überhaupt immer wieder unter uns Menschen zu Streitigkeiten kommt, die im schlimmsten Fall in einem Krieg ihre einzige Lösung sehen .Wir wissen doch aus der Vergangenheit, dass wir anderen unsere eigenen Überzeugungen nicht mit Gewalt aufdrängen können und Menschen nicht freiwillig ohne Widerstand ihren Besitz abgeben, den sie sich erworben oder erarbeitet haben.
Ein friedvolles Zusammenleben erfordert doch immer wieder die Bereitschaft zu einer respektvollen und von gegenseitigem Verständnis geprägten Kommunikation. Alle sollten auch mehrmals die Chance haben einen Konflikt zu beenden. zwar häufig mit Kompromissen, aber letztlich zur Zufriedenheit. Und auf dem Weg dorthin sind Einsicht in begangene Ungerechtigkeiten und Entschuldigungen dafür durchaus sinnvoll und hilfreich.
Einander zuzuhören ist dann bereits ein kleines Friedenszeichen und mit der Überwindung sich zu entschuldigen kann es weitergehen, bis hin zu eindeutigen Worten wie: "Lasst es uns doch mit einem friedvollen Umgang versuchen!"
Bei diesem Friedensweg können wir gewisslich auf Gottes Hilfe vertrauen, denn Gott will Frieden: Gott hilft den Schwachen gegen die Starken, Gott hilft den Armen gegen die Reichen, Gott hilft den Unterdrückten gegen die Tyrannen, dies geschieht in unserer Gegenwart und Zukunft, bis in alle Ewigkeit.
Uschi Fusenig, Prädikantin Evangelische Kirchengemeinde Bernkastel-Kues
Von Maulwurfshügeln lernen
Gerne bin ich zu Fuß oder mit dem Fahrrad in der Natur unterwegs, gerade jetzt im Frühling. Und dies mit offenen Ohren und offenen Augen! Dennoch ist es mir bisher erst ein einziges Mal vergönnt gewesen einen Maulwurf bei seiner Arbeit zu erleben! Die kleinen Hügel, die er in den Wiesen und Äckern, oft zum Leidwesen der Landwirte hinterlässt, kennen wir zwar im wahrsten Sinne des Wortes „zuhauf“. Aber so einem Maulwurfshügel bei seiner Entstehung zuzusehen, das ist selten. Ich stand gebannt da, und schaute hin, wie die Erde sich langsam hob und die braunen Krumen nach oben auseinanderfielen. Ein kleines Tier lässt die Muskeln spielen, verschafft sich Lebensraum.
Sich Luft zu verschaffen, sich nicht erdrücken zu lassen von Anforderungen, die das Leben uns abverlangt, die wir uns selbst und andere uns zumuten, das bleibt auch unsere Aufgabe. Das Osterfest, das nun schon fünf Wochen zurückliegt, an dem Gott uns in der Auferweckung seines Sohnes neue Lebenskraft geschenkt hat, wirkt fort. Der Glaube daran hilft mir, wenn es darauf ankommt, mich meiner Haut zu wehren. Er hilft mir, die nötige innere Freiheit zu behalten oder auch wieder zu gewinnen, wenn einem die sprichwörtliche Decke auf den Kopf zu fallen droht.
Schon die Apostelgeschichte, ein Buch im Neuen Testament, das im Anschluss an die Evangelien das Leben der jungen Christengemeinden in den Blick nimmt, berichtet von Befreiungserfahrungen. Apostel, die wegen der Verkündigung ihres Glaubens von Amts wegen in Gewahrsam genommen worden waren, erleben, wie sich gleichsam über Nacht für sie die Gefängnistore öffnen. (Apg. 5, 17-21a). Warum sollten Engel des Herrn nicht auch heute befreiend und ermutigend unterwegs sein? Ich glaube der Macht des Auferstandenen, die sich in verschiedenen Vollzügen Bahn brechen kann.
Dass das Leben immer wieder in Gang kommt, nicht nur unter Tage in Maulwurfsgängen, auch über der Erde, das wünsche ich uns. Solches Geschehen muss kein Seltenheitswert behalten.
Matthias Veit, Dekan Pastoraler Raum Wittlich
Gott ist mehr
Nach einer langen verbandsinternen Diskussion hat sich die Bundeskonferenz des katholischen Jugendverbandes KjG entschieden, zukünftig Gott+ (Gott plus) zu schreiben. An dieser Nachricht bin ich sofort hängen geblieben. Die KjG will damit zeigen, dass Gott mehr ist. Viel mehr. Er ist multidimensional. Das „plus“ soll Platz machen für ganz vielfältige Gottesbilder. Das „plus“ soll dabei bewusst mehr sein, als ein Gendersternchen. Was ist Gott eigentlich für mich? Wie ist eigentlich meine Vorstellung von Gott, wie hat sie sich im Laufe meines Lebens verändert? Als Kind habe ich mir Gott als weißbärtigen alten Mann vorgestellt. Gemütlich sitzt er auf einer flauschigen Wolke. Er kann alles sehen und greift vielleicht auch mal aktiv ein. In meiner Jugend war Gott nicht immer so präsent für mich. Ich glaube, das war ganz normal so. Später dann hat sich mein Bild von Gott erneut verändert. Ich stelle mir Gott nicht mehr als konkrete Person vor. Eher als eine Macht, die in Allen und in Allem präsent ist. Mal mehr und mal weniger. Wenn ich so auf die Nachrichtenlage schaue, dann zweifele ich auch manches Mal daran, dass Gott alles sieht. Und nach Spuren seines direkten Eingreifens suche ich sehr oft vergeblich. Ab und an macht es mich auch wütend, dass er auch öfter mal bewusst wegzuschauen scheint. Trotzdem fühle ich mich in Gott geborgen. Das Bewusstsein, dass Gott da ist, gibt mir Ruhe und Sicherheit. Ich muss nicht alles selbst in der Hand haben und alle Geschicke selbst aktiv lenken. Ich kann auf ihn vertrauen. Und Gott muss ja auch nicht alles alleine regeln. Er hat Unterstützung. Von Menschen, die mir begegnen und mir guttun. Von Menschen, die im Vertrauen auf seine Existenz Gutes tun. Menschen, die sich um ihre Mitmenschen sorgen und ganz konkret helfen. Gott hat viele Formen und Gestalten. Mal ist er ganz nah und mal weiter weg. Mal mit und mal ohne „plus“. Wer ist Gott für Sie? Überlegen Sie gerne einmal…
Thomas Pesch
Alles auf einmal!
Eine Alltagserfahrung: Manchmal ist alles auf einmal! So erscheint mir in diesem Jahr der 7. und 8. Mai! Einige sehr unterschiedliche Themen stehen da an diesem Wochenende nebeneinander. Ich möchte diese miteinander verbinden, indem ich sie vertrauensvoll ins fürbittende Gebet vor Gott nehme. Ich beginne mit dem 8. Mai als Gedenktag des Endes des 2. Weltkrieges vor 77 Jahren. Angesichts eines gerade tobenden, unsäglich schlimmen Krieges in Europa will ich zu Gott beten um Erfolge in den Bemühungen der Diplomatie, um Besonnenheit, um Weitsicht, um ein Ende der Eskalation und um ein Niederlegen der Waffen!
Am 7. Mai geht die ökumenische „Woche für das Leben“ zu Ende. Das diesjährige Leitwort heißt: „Mittendrin. Leben mit Demenz.“ Angesichts dieser schweren Krankheit möchte ich Gott für alle dementiell erkrankten Menschen bitten; auch für alle, die sich im Umfeld hilflos fühlen; für alle, die sich der Kranken annehmen; um Verständnis, Güte, Trost und Liebe.
An diesem vierten Ostersonntag begeht die katholische Kirche den Sonntag des Guten Hirten. Es ist der Sonntag, an dem in besonderer Weise um geistliche Berufungen gebetet wird. So möchte ich Gott bitten für junge Christen, die einen Ruf Gottes in sich vernehmen: Dass sie diesem Ruf nachspüren können und dass sie auf ihrem Lebens- und Glaubensweg gute Begleiterinnen oder Begleiter finden!
An diesem 8. Mai ist auch Muttertag. So möchte ich zum einen liebevoll an alle verstorbenen Mütter erinnern… Desweiteren möchte ich natürlich gerne für die unter uns lebenden Mütter und Großmütter beten und erweitere die Bitte Gott gegenüber für alle, die in Familien und Gemeinschaften leben: Hilf, dass wir uns gegenseitig in den Familien helfen und stützen und Liebe und Geborgenheit schenken. Sei auch den Alleinstehenden nahe! So wünsche ich einen gesegneten Muttertag, einen guten vierten österlichen Sonntag und vor allem Frieden in aller Welt!
Bruno Comes, Kooperator-Pfarrer Bernkastel-Kues
Kinder lernen von Eltern – oder anders herum
„Ich muss nochmal kurz auf Toilette“, oder „muss das sein, kann ich das nicht später erledigen?“
Wenn meine beiden Kinder versuchen, sich vor der gemeinschaftlichen Arbeit im Haushalt zu drücken, ärgere ich mich öfter darüber, dass sie nicht das machen, was ich erwarte. Vielleicht erwarte ich das alles zu selbstverständlich; vielleicht wäre ein wenig Geduld von meiner Seite eher hilfreicher.
Trotzdem bestehe ich darauf, wenn Dinge sofort erledigt werden müssen, dann muss dies sofort geschehen. Grundsätzlich wachse ich an den Aufgaben eines Elternteils und muss täglich lernen, dass Kinder ihren eigenen Willen haben. Und sie dürfen ihre eigenen Pfade finden, neue Entdeckungen machen, dürfen eigene Methoden entwickeln, ihre Ziele zu erreichen. Auf den Punkt gebracht: Kinder müssen ihre eigene Persönlichkeit entwickeln und lernen, mit aufsteigendem Alter Verantwortung für sich zu übernehmen, ganz so, wie es meine Mutter mir mit auf dem Weg gegeben hat. Ich bin mittlerweile 51 und natürlich mit mehr Lebenserfahrung ausgestattet wie Teenager mit 12 und 14, trotzdem müssen sie eigene Erfahrungen machen dürfen. Sie haben jetzt schon das Recht, verantwortungsvolle und eigenständige Personen, ja sogar als Persönlichkeiten, anerkannt zu werden. Nicht immer fällt es mit leicht, wenn die Kinder ihren eigenen Kopf durchsetzen wollen und dies anzuerkennen, Geduld zu üben und mal 5 gerade sein zu lassen. Aber trotzdem habe ich gelegentlich den Spruch im Kopf der sagt „ ich zeige Dir hier, wo es lang geht“. Manchmal passt er!
Eins steht jedoch fest: Ich vertraue darauf, dass wir unseren Kindern die Werte vermitteln können, um später im Leben bestehen und irgendwann mal selbst an ihre Kinder weitergeben zu können – auch wenn sie vielleicht jetzt „ Ich mag das doch nicht“ oder „ Ich räume nachher mein Zimmer auf“ sagen.
Marco Brixius
Leitung Pastoraler Raum Wittlich
Ein Versuch, einfach wieder Kind zu sein...
Nein. Ich werde heute nichts schreiben über Corona. Über den Krieg. Und seine Folgen für uns alle. Denn: Es ist Ostern. Nicht, weil Corona und der Krieg dann Pause machen. Ich will eine Auszeit haben. Eine Auszeit von der täglichen Besorgnis und der täglichen Angst. Mich erinnern, empfinden, was Ostern vor 50 Jahren für mich war- als Kind. Als alles unbeschwert war...
Ostern – das war wärmende Frühlingssonne. Schlüsselblumen und Wiesenschaumkraut. Gelbe Forsythien. Blauer Himmel. Sanfter Wind. Summende Bienen. Freude über das buntbemalte Osterei im hohen Gras. Die Eltern im Sonntagsanzug und -kleid – irgendwie festlicher als sonst. Das Glockenläuten der Dorfkirche. Vollbesetzte Kirchenbänke. Das Evangelium. Auferstehung. Heilige Kommunion – auch irgendwie feierlicher als sonst. Und das Gefühl, Gott ist jetzt ganz nah. Vertrauen. Es ist alles gut. Es gibt die Eltern und es gibt ihn da oben. Einen himmlischen Vater. Sie werden schon alles richten. Und meine Wege lenken. Und mich beschützen. Heute. Bis ans Ende aller Tage. Und darüber hinaus. ..
Nun ist wieder Ostern. 50 Jahre später. Was ist geblieben von damals? So Vieles hat sich verändert, ist verloren gegangen. Aber dieses Jahr will ich es versuchen. Versuchen, alles wieder bewusst wahrzunehmen, zu empfinden, was ich als Kind an diesem besonderen Tag empfunden habe. Und darauf vertrauen, dass Gott alles zum Guten lenken wird - in der Kleinheit meines Lebens und im Großen der ganzen Welt. Und dass wir auf eine Auferstehung vertrauen dürfen, wie sie uns versprochen ist - und auf eine Auferstehung von Frieden in der Welt und einer pandemiefreien Zeit. Der himmlische Vater wird es richten – mit unserer persönlichen Mithilfe – und sei sie noch so klein... ...
Rainer Martini
Caritas der Gemeinde
Widerstand heute
In den frühen Morgenstunden des 9. Aprils 1944 wurde Dietrich Bonhoeffer in Flossenbürg, einem KZ in Oberfranken, gehängt. Bonhoeffer war Christ, ev. Pfarrer, Widerstandskämpfer. Im Kreis um Stauffenberg plante er die Ermordung Hitlers. Am 20. Juli `44 scheiterte das Attentat, fast alle Beteiligten wurden später hingerichtet. Widerstandskämpfer, eine Entscheidung, um deren Wider- sprüchlichkeit Bonhoeffer immer wusste. Oft hat er damit gerungen, manchmal an ihr gezweifelt. Immer war ihm bewusst, dass er mit der Tötung eines Menschen gegen Gottes Gebot verstößt und so Schuld auf sich lädt. Wie haderte er damit, dass er seine Familie gefährdete, seine Liebe zu seiner Verlobten, sein eigenes Leben. Bonhoeffer lebte gern, er konnte genießen. Doch all das trat zurück. Für ihn zählte allein die Verantwortung, die er in dieser Zeit für sein Land empfand. Verantwortung, das Tausendfache Morden zu stoppen, diesen sinnlosen Zerstörungskrieg, den Untergang Europas.
Verantwortung kann man sich selten aussuchen. Bonhoeffer nahm sie an, stellte sich ihr mit allen Konsequenzen. Manchmal frage ich mich, wie sich Bonhoeffer wohl heute verhalten würde. Nein, einer Widerstandsbewegung gegen Putin gehörte er sicher nicht an. Doch seine Verantwortung für die Ukraine, die Menschen dort, machte er sicher nicht an den Grenzen der NATO fest. Ob er darin nicht einen (billigen) Verrat an den Menschen sähe? Er wäre unbequem. Hörte nicht auf zu fragen, wie viel uns Verantwortung wirklich wert sei, wenn wir sie ständig gegen die Sicherheit ausspielten. Ob er Verständnis hätte, die russische Vernichtungsarmee solange weiter zu finanzieren, bis unsere Energieversorgung alternativ gesichert ist? Aus den sicheren USA kehrte er 1938 mit dem letzten Schiff vor Kriegsausbruch nach Deutschland zurück. "Wie soll ich je wieder hier leben, wenn ich jetzt nicht in meinem Land bin?", fragte er sich. "Wie soll Europa wirklich eins werden, tief verbunden, wie sollen unsere Demokratien stabil und tragfähig werden, wenn unsere Entscheidungen in vielem so zögerlich bleiben?" Ob das seine Frage wäre? Sicher aber würde er uns sein starkes Bild (1933!) wieder zumuten: Für Christen ist es zu wenig, "die Opfer unter dem Rad zu verbinden, wir müssen dem Rad in die Speichen fallen."
J.-W. Henrich, ev. Pfarrer Traben-Trarbach
Vom Brennen
Die Flut der Hiobsbotschaften vom Leid der Menschen aus der Ukraine verfolgt und erschüttert uns, alles verursacht vom machtbesessenen Massenmörder Putin. Interessieren uns da Geschichten von Gott, der etwa im brennenden Dornbusch, dessen Zweige nicht verbrennen, mit Mose, redet, der als Hirte seine Tiere über die Steppe treibt.
Was wird dieser Gott aus dem Dornbusch, dieser vor Liebe brennende Gott nicht dem Mose, aber uns heute im ähnlichen Wortlaut sagen: „Ich habe das Elend meines Volkes in der Ukraine gehört und ihre laute Klage über ihre Antreiber. Geh jetzt gefälligst, ich sende Dich aus, Unheil zu lindern. Kümmere Dich mit anderen Helfern um die Flüchtlinge vor dem Berliner Hauptbahnhof und auf anderen Bahnhöfen oder in bereitgestellten Räumlichkeiten, schreib hundert Emails an Freunde und Bekannte, die online so viel Überflüssiges zusammenkaufen, sie sollten für die in höchster Not tieftraurig aus dem Krieg Geflohenen Not-wendendes verfügbar machen zur Versorgung mit Lebensmitteln, medizinischen und anderen praktischen Hilfen oder sich persönlich für sie engagieren. Ich glaube, da ereignet sich Kirche.
„Ich war obdachlos, und Ihr habt mich aufgenommen!“, wird uns Jesus, wenn wir ihm im Tod konkret begegnen, sagen. Das ist sein Maßstab, mit dem er unsere Liebe misst.
Ach, wir sind mitbeteiligt am engagierten Tun dieses Gottes, der nicht einer „hoch da droben „oder „weit weg“ ist. Wir dürfen mit ihm, mit ganz viel Liebe für die Menschen brennen.
Br. Stephan Reimund Senge, Himmerod
Hoffnungszeichen
Die Folgen der Flutkatastrophe, der weitere Umgang mit der Corona Pandemie und jetzt der Ukraine Krieg und seine Auswirkungen machen vielen Menschen große Sorgen. Wie wird es weitergehen und kann es gute Lösungen geben? Negative Nachrichten können Angst machen, verunsichern und psychisch belasten. Im Gegensatz dazu steht die Botschaft des 4. Fasten-sonntags, des Sonntags Laetare, d.h.Freue Dich! Er lenkt unseren Blick auf Ostern. Wie sollen wir uns aber freuen, wenn es so viele Probleme und Sorgen gibt. Vielleicht hilft es, mal den Blickwinkel zu verändern. Wenn ich morgens die Vögel zwitschern höre und in unserem Vorgarten die blühenden Krokusse und Narzissen entdecke, dann kann ich mich daran erfreuen. In den Nachrichten wurde und wird immer wieder von vielfältigen Hilfsaktionen berichtet. Bei Kundgebungen und Friedensgebeten setzen viele Menschen ein Zeichen der Anteilnahme und Solidarität. Sie wollen sich nicht mit den großen Problemen abfinden und resignieren. Nein, sie suchen nach Möglichkeiten, diesen Positives entgegen zu setzen. So hoffte im Evangelium der gute Vater mit langem Atem auf die Rückkehr seines Sohnes und lief ihm entgegen, als er ihn kommen sah. Der verlorene Sohn kam nach seinem lotterhaften Leben zurück und hoffte wenigstens als Knecht bei seinem Vater arbeiten zu können. Die positive Überraschung ist für ihn, dass sein Vater aus Freude ein Fest für ihn veranstaltet. So groß ist die Liebe des Vaters, mit dem Jesus Gott meint. Ihm können wir vertrauen. Vielleicht haben wir auch schon solche positiven Überraschungen erlebt oder für andere geplant. Das könnte ein unerwarteter Brief oder Besuch sein, ein Angebot zu helfen, eine Einladung oder Entschuldigung, ein Geschenk, alles Hoffnungszeichen. „Freue Dich“, so heißt es am heutigen Sonntag im Zugehen auf das Osterfest. Wir haben allen Grund dazu, weil Gott uns in Jesus gerade in diesen schweren Zeiten nahe ist. Er will uns von allem Bösen erlösen. So groß ist seine Liebe. Durch Jesus will er uns Hoffnung auf neues Leben und Frieden geben.
Manfred Walter, Pastoralreferent in Rente, Wittlich
Vielleicht nicht morgen…
Im Sonntagsevangelium berichtet Jesus in einem Gleichnis von einem Feigenbaum, der keine Frucht bringt, auch nach einigen Jahren nicht. Der Baum scheint ein hoffnungsloser Fall zu sein, eine Enttäuschung für jeden Gärtner. Da hilft sicherlich nur noch Abholzen.
Aber der Gärtner, der eigentlich so enttäuscht sein müsste von der Situation, setzt sich für den Feigenbaum ein und möchte eine „Gnadenfrist“ für ihn. Er hat noch das Vertrauen, dass der Baum vielleicht doch noch Frucht tragen wird bis zum nächsten Jahr. Der Gärtner sorgt sich um den Baum, wie um einen Freund, stellt sich schützend vor ihn und traut ihm etwas zu.
Auch wir Menschen sind oft wie der Feigenbaum. Wir verhalten uns nicht so, wie man es von uns als gute Menschen erwarten könnte, auch wir und unser Verhalten tragen nicht immer wirklich Frucht. Aber auch da ist jemand, der Hoffnung in uns setzt, der uns nicht direkt aufgibt und der sich schützend vor uns stellt und uns etwas zutraut: Gott.
Weshalb also verzweifeln, aufgeben, wenn es doch jemanden gibt, der an uns glaubt? Wenn es jemanden gibt, der uns zutraut, dass sich unser Verhalten ändert, bessert und demnächst doch noch Frucht trägt. Jetzt liegt es an uns, mitzuhelfen und selbst aktiv zu werden, denn das Wohlwollen, die Unterstützung und der Rückhalt durch Gott ist uns gewiss. Wie schön es sein wird umzukehren und selbst zu realisieren, dass unser eigenes Verhalten Früchte tragen kann.
Und weshalb sollte wir uns nicht auch selbst mal den Gärtner als Vorbild nehmen und den Menschen Zeit geben, die uns enttäuscht haben? Vielleicht sollten wir uns dennoch auch um sie bemühen und sie nicht aufgeben, ihnen genauso eine "Gnadenfrist" geben, damit wieder Früchte wachsen können, vielleicht nicht morgen, aber sicher bald.
Konstanze Petry
- Oberstudienrätin an der IGS Salmtal -
Unsere Sendung
Das Evangelium vom heutigen Wochenende fordert mich mal wieder heraus. Jesus steigt mit seinen Jüngern auf einen Berg. Dort erfahren sie, dass ihr Freund eine ganz besondere Sendung hat. Und dort, wo es ihnen gut geht, wollen sie bleiben, wollen sie sesshaft werden. Und dann durchkreuzt Jesus ihre Pläne. Erfassen sie aber die Sendung ihres Freundes, erfassen wir die Sendung unserer Gemeinschaft, unserer Kirchen? Sehr viel wird heute an den Kirchen kritisiert, und das zurecht. Mir steht es nicht zu, zu urteilen oder gar zu verurteilen, aber im Moment wird es immer schwerer, sich zu dieser Kirche zu bekennen.
Als man Mutter Teresa einmal fragte, was muss sich an der Kirche ändern, antwortete sie „Sie und ich müssen uns ändern“. Kirche sind wir Alle, denn Kirche ist die lebendige Gemeinschaft der Christen. Sie lebt von dem Tun jedes Einzelnen; sie lebt von dieser Sendung auf dem Berg Tabor. Ein starker Auftrag. In der Gemeinschaft mit diesem Jesus zu leben, heißt somit, sich nicht zurück zu ziehen in eine Wohlfühlnische, sondern sich den Anforderungen des Alltages und Sorgen und Nöten der Mitmenschen zu stellen. Oft kein leichter Auftrag, keine leichte Sendung.
Der brasilianische Bischof Dom Helder Camara sagte einmal: „Wenn einer alleine träumt, ist es nur ein Traum. Wenn viele gemeinsam träumen, so ist das der Beginn einer neuen Wirklichkeit“. Nach wie vor will ich an die Sendung des Gottessohnes glauben; nach wie vor will ich daran glauben, dass wir an einer Zukunft der Mitmenschlichkeit, der Gerechtigkeit und des Friedens mit bauen können, weil dieser Sohn Gottes, weil dieser gute Gott, an unserer Seite ist. Lassen wir uns nicht überrollen von all den Skandalen in dieser Kirche und Welt, sondern schenken wir ihm, diesem guten Gott unser Vertrauen; bauen wir darauf, dass er die Gemeinschaft seiner Menschenkinder weiterhin führt und begleitet. Träumen wir alle den Traum einer neuen, einer guten, einer gerechten und friedvollen Gemeinschaft aller Menschen, dann erfüllt sich die Sendung vom Berg Tabor.
Katy Schug, Ehemalige Caritasdirektorin Mosel-Eifel-Hunsrück e.V.
Frieden?
Da ist Krieg in der Ukraine und ich fühle meine ganze Ohnmacht. Fassungslosigkeit, Angst und auch viel Zorn auf die, die das verbrochen haben, sind in meinem Herzen. Was tun? Ich zünde ein Friedenslicht an und lade die Mitfeiernden im Gottesdienst ein, es mir nachzutun. Und langsam wächst ein Lichtermeer in unserer Kirche und wir beten gemeinsam für den Frieden. Und ich denke: so wie das kleine Licht einer Kerze die Dunkelheit um sie herum vertreibt, so möge auch mein kleines Gebet meine Ohnmacht, vor allem aber meine Angst, meinen Zorn, meine Wut mir aus dem Herzen nehmen. Ich erinnere mich an die Worte Jesu bei seiner Gefangennahme, als die Jünger ihn mit dem Schwert verteidigen wollten: „Steck dein Schwert in die Scheide, denn alle, die zum Schwert greifen, werden durch das Schwert umkommen.“ (Mt 26,52) und seh in meinem Herzen – ganz ehrlich - durchaus mörderische, blutrünstige Gedanken zu der Frage, wie man den Kriegstreibern denn das Handwerk legen könnte. Vielleicht ist es darum sogar ganz gut, dass ich ohnmächtig bin, weil ich sonst die Spirale der Gewalt weiterdrehen würde. Und ich höre Jesus sagen: „Selig die Frieden stiften, denn sie werden Söhne Gottes genannt werden.“ (Mt 5,9) Söhne Gottes doch wohl deshalb, weil sie das verwirklichen, was Gott will, weil sie nicht aus eigener Kraft, sondern von Gott her handeln. Und ich ahne, dass wir Menschen nur aus unseren Kräften heraus den Frieden wohl nicht schaffen können, sosehr wir es auch wollen, einfach, weil wir begrenzt sind und nicht alle Möglichkeiten in den Blick nehmen und umsetzen können. Das befreit mich nicht von der Pflicht zu handeln, setzt aber meinem Handeln eine andere Grundlage und Ausrichtung, wie ich sie finde im Gebet: „O Herr, mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens. (Im Gotteslob 19,4) Das bete ich dann gerne in der Gewissheit der Zusage Jesu: „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch.“ (Joh 14,27). Und ich wünsche ihnen allen die Erfahrung dieses Friedens.
Pastor Johannes Jaax, Pfarreiengemeinschaft Salmtal
Wohin sollen wir gehen?
Ach ja, das Leben und die Welt werden immer komplizierter. Nicht zum Aushalten, eigentlich. Wohin sollen wir gehen, haben schon die Jünger Jesus gefragt. Möchten Sie nicht auch manchmal weglaufen, alle Nachrichten abstreifen und in Neues gehen. Aber wohin? Wir haben nur dieses eine Leben, nur diese eine Welt. Sind wir gefangen, auch in uns?
Wie ist das mit Gott? Wo ist er, gibt er uns Antwort auf unsere Fragen?
Haben Sie schon einmal mit dem Gedanken gespielt von IHM wegzugehen? Zu viele Fragen? – Ohne Antworten?
Sie können die Antwort nur bei sich finden, in Ihrer Stille. Aber.. es wäre möglich, dass Sie trotzdem immer noch zu IHM unterwegs sind, da Sie nicht leer sein wollen. Ach ja: Beten hilft, da Ihnen jemand zuhört!
Rainer Marmann, evangelischer Christ
Kann man den Glauben vervielfältigen?
„Ich brauche etwas von deinem Glauben. Letzte Woche ist unser Kaninchen gestorben und gestern unser Hamster.“ Mit diesen Worten kam einmal eine Freundin auf mich zu, die, mit diesen Tatsachen konfrontiert, nicht nur ihren beiden Kindern Rede und Antwort stehen musste, sondern auch selbst nach einem Weg suchte, mit dem Geschehenen klarzukommen.
Zugegeben: Es gibt Schlimmeres. Aber was ist schlimm? Das Schlimme einer Situation ist immer auch durch den Zeitpunkt und die Gesamtsituation bestimmt. Und ein fester Glaube wurde sicherlich schon für vermeintlich weniger Schlimmes in Anspruch genommen.
Ehrlich gesagt weiß ich auch nicht mehr, wie ich spontan reagiert habe. Aber ich weiß noch, dass ich etwas perplex war. Jeden Tag wollen viele Menschen bisweilen recht viel von mir, aber dass jemand auf diese Art etwas von meinem Glauben haben will, das ist mir zum ersten Mal passiert.
Wie kann ich überhaupt jemandem in einer solchen Situation von meinem Glauben etwas abgeben? Das geht doch nur, indem ich ihm zuhöre, ihn tröste, ihm Mut zuspreche oder ihm weiterhelfe. Und man darf auch mal zugeben, dass das Leben einem bisweilen doch recht viel abverlangt, wenn ein Leid besonders groß ist oder man das Gefühl hat, dass die schlechten Nachrichten und Ereignisse sich häufen und nicht abreißen wollen.
Aber noch etwas zeigt eine solche Situation: Jemand, der mich so bittet, wähnt das Erbetene bei mir im Überfluss und diagnostiziert offensichtlich für sich selbst einen Mangel. Woran auch immer das liegen mag …
Ich habe mir jedenfalls für sie Zeit genommen und ihr zugehört. Wir haben gemeinsam sinniert und nach einigen Minuten war meine Freundin gestärkt und fühlte sich der Situation eher gewachsen als noch vor unserem Gespräch. Für mich und meinen Glauben war das Ganze eine Bereicherung. Das nennt man wohl eine Win-win-Situation.
Habe ich nun geteilt, abgegeben, weitergegeben oder vervielfältigt? Keine Ahnung! Und das ist auch letztlich völlig egal …
Monika Klas, Religionslehrerin und konrektorin der Realschule Plus Manderscheid
Aha – Begegnung - AHA
„Alles wirkliche Leben ist Begegnung“, stellte der jüdische Religionsphilosoph Martin Buber fest. Wie sehr Corona unser Leben einschränkt, wird beim Nachdenken über diesen Satz noch einmal besonders deutlich. In dieser Pandemiephase soll Begegnung wieder einmal nicht stattfinden. Im Mangel wird sonst Selbstverständliches in seinem Wert erst richtig wahrgenommen. Jeder möchte auf unterschiedliche Weise seinen Lebenshunger stillen, sehnt sich nach Begegnung und fürchtet die Einsamkeit. Die psychischen Folgen der Corona-Situation müssen genauso in den Blick genommen werden wie die physischen! Wie sehr haben sich die Schülerinnen und Schüler gefreut, als sie wieder in die Schule durften, vor allem, um ihren Klassenkameraden wieder zu begegnen. Auch wird immer mehr erkennbar, was beim Homeoffice fehlt: Das Gespräch auf dem Flur, am Kopierer, in der Kaffeepause…
Wie kann Begegnung trotzdem gelingen? Phantasie und Kreativität sind gefragt. Wenn die direkte Begegnung schwierig ist, kann z.B. ein Telefongespräch helfen. Ein liebevoller Brief wirkt Wunder. Auch eine Wanderung mit Distanz ist ebenso möglich, wie Besuche unter Einhaltung der Regeln. Dieses Jahr habe ich mich noch mehr als sonst über Weihnachtsbriefe gefreut, die uns unsere Postbotin gebracht hat.
Gottesdienste ermöglichen Gottes- und Menschenbegegnung. Sie haben sich nicht als Hotspots erwiesen. Das gelingt durch verantwortliches Einhalten von Regeln, auch wenn das Singen mit Maske die Seele nur gedämpft befreit.
In den Erzählungen des Neuen Testamentes, die von Wundern Jesu berichten, können wir entdecken, dass Heilungen durch Begegnungen mit Jesus ausgelöst werden. So geschieht Heilung durch Begegnung dann, wenn Beziehung entsteht, Blickkontakt stattfindet. Heilung ereignet sich im Dialog durch gläubige Bejahung des Angebotes Jesu.
Ich wünsche glückende Begegnungen – auch unter Coronabedingungen.
Wolfram Viertelhaus, Förderverein Autobahnkirche St. Paul Wittlich
Frei durch Gott
„Bitte frei machen!“ Diese Aufforderung kennen wir vom Arzt, kurz vor der Röntgenaufnahme heißt es da: „Bitte frei machen!“ Auch auf mancher Postkarte oder Briefumschlag lesen wir das in jenem Feld, auf das die Briefmarke geklebt werden soll. Und schon fallen einem noch viel mehr Dinge ein, von denen wir uns gerne frei machen würden. Von Corona, von anderen schweren Krankheiten, von Geldsorgen, von politischem Unverstand, von Ungerechtigkeit, von Naturkatastrophen, von Streitigkeiten usw. Die Bibel ist ein Freiheitsbuch. Ziemlich am Anfang wird die Geschichte von Moses erzählt, der zum Pharao nach Ägypten ging und die Freiheit für das Volk Israel forderte. Er konnte das tun, weil Gott ihm den Auftrag und eine Vision für die Freiheit gegeben hatte. Und wenn wir heute im Vaterunser beten „… und erlöse uns von dem Bösen!“, dann beten wir zu demselben Gott, nur mit anderen Worten: „Bitte frei machen!“
Hermann Barth, Altrich, Diplom Pädagoge und ehemaliger Geschäftsführer des Caritasverbandes
Von Pinguinen lernen!?
Seit fast 2 Jahren hat uns das Covid-Thema fest im Griff und es belastet Familienleben, Freizeitgestaltung, Beruf und leider auch unser Miteinander. Statt zusammenzurücken scheint unsere Gesellschaft und der Einzelne voneinander abzudriften. Müssen wir so nicht notgedrungen zu Egoisten werden? Wie es anders gehen könnte, ist mir bei einem Artikel im TV vom 7.1. über das Verhalten von Kaiserpinguinen bei kritischen Überlebenssituationen in der antarktischen Kälte, bewusst geworden. Bei Temperaturen von -30 Grad harren die Pinguinmänner dicht gedrängt nebeneinander, an einem Fleck ausharrend aus. Sie stehen so, weil sie in ihrer Bauchfalte das Ei mit dem kommenden Nachwuchs schützen wollen. Indessen gehen die emanzipierten Pinguindamen auf Nahrungssuche. Es gibt laut der beobachtenden Biologen aber ein Problem. Stehen die Männer zu dicht, erhitzen sie; stehen sie zu weit, wird ihnen zu kalt. Ihre Lösung ist genial. Um die individuelle Wohlfühlzone für sich zu finden, verändern sie ständig ihre Position in die gewünschte Richtung. Außerdem wechseln sie sich in den Außenpositionen ab, damit keiner zu lange im kalten Außenwind stehen muss; scheinbar wissen sie, dass nicht der Nebenmann ihr größter Feind, sondern die Kälte und nur gemeinsam kann man sich schützen. So hilft das Ichdenken des einzelnen letztlich der ganzen Sippe. Da es ums gemeinsame Überleben geht, ist das für mich gesunder Egoismus (Liebe den Nächsten wie dich selbst). Krankhafter, zerstörender Egoismus verbindet nicht, sondern trennt und zerstört. Haben die Pinguine Jesu besser verstanden als wir Menschen? Wie die Tiere werden wir unser persönliches Glück und Wohlbefinden nur dann finden, wenn wir uns auch um die anderen kümmern. „Lieblosigkeit macht krank“, behauptet der Hirnforscher G. Huether, demnach müsste ein liebevoller Umgang mit sich und dem Nächsten gesund machen. So wünsche ich uns allen ein gesundes (liebevolles) neues Jahr.
Paul Plehacz, Lehrer i. R.
Grenzen überwinden!
Da machen sich in fernen Ländern einige hochgestellte Herren, wahrscheinlich Sterndeuter, auf einen anstrengenden Weg, sind monatelang unter schwierigen Reisebedingungen unterwegs, um schließlich an ihrem Ziel anzukommen. Dann haben sie nichts Geringeres zu tun als in einer armseligen Unterkunft vor einem kleinen Kind niederzuknien, um ihm ihre Ehre zu erweisen. Sie nehmen dabei keine Rücksicht auf ihre unterschiedliche Herkunft, kulturellen Hintergründe und ihre Religion. All das spielt keine Rolle und es wird auch nicht darüber diskutiert oder abgestimmt. Die Männer sind gekommen, um das neugeborene Jesuskind zu begrüßen, ohne Vorbehalte-allein zu seiner Ehre! Sie haben alle Mühen und Plagen auf sich genommen, für diesen kurzen Moment, der sie ihr Leben lang begleiten wird. Welch ein Engagement würden wir heute sagen, verbunden mit so vielen Ungewissheiten auf der Reise, dass es nur mit sehr viel Mut, Vertrauen und Hoffnung erklärt werden kann. Aber sie setzen damit auch ein Zeichen für uns über die Jahrtausende hinweg. Im Blick auf ihr Handeln wird deutlich, dass Jesus für alle Menschen in der Welt geboren wurde, soziale und kulturelle Grenzen werden durch ihn aufgehoben, sie spielen keine Rolle mehr. Daran sollten wir uns immer wieder erinnern, wenn wir von der Nachfolge in Jesu Namen sprechen und in seinem Namen handeln. Und, weil die weisen Männer schließlich wieder in ihre Heimatländer zurückkehrten, gilt das Fest Epiphanias (Fest der Erscheinung des Herrn), das wir am 6.Januar, bzw. an diesem Sonntag feiern, auch als Tag der Offenbarung Christi an die Heidenwelt und somit als Tag der Mission. Der Glaube an Jesus Christus als den Messias wird in die Welt getragen. Der christliche Glaube verbreitet sich über den ganzen Erdkreis und prägt das Leben von Millionen Menschen, beeinflusst ihr Leben, das ihrer Familien, Wohnorte, ihrer Länder, ihrer Regierungen und deren Rechtsprechung. Das Christentum ist bis heute eine Weltreligion-die ihre Quelle in einem armseligen Stall in Bethlehem hatte, einem besonderen Ort, der richtungsweisend für das zukünftige Verständnis des Geschehens sein sollte. Wir können uns nur immer wieder beugen, wie die hochgestellten Männer damals, hinab zu dem kleinen, unscheinbaren Wesen, das in sich so viel Wunderbares verbarg, denn:
„Es ist in ihm erschienen die heilsame Gnade Gottes allen Menschen, damit wir gerecht und fromm in dieser Welt leben und warten auf die Herrlichkeit unseres Heilands Jesus Christus (nach Titus 2.11-13)
Uschi Fusenig, Prädikantin der Evangelischen Kirchengemeinde Bernkastel-Kues